Downloads

Alko­hol gilt in Öster­reich über­wie­gend als Genuss­mit­tel und kann auch von vie­len Men­schen ohne grö­ße­re gesund­heit­li­che Schä­den kon­su­miert wer­den. Den­noch ist ein maß­vol­ler Umgang mit Bier, Wein und ande­ren alko­ho­li­schen Geträn­ken nicht für alle Österreicher*innen mög­lich und das nöti­ge Pro­blem­be­wusst­sein setzt bei vie­len Betrof­fe­nen oder auch in deren Umfeld oft erst sehr spät ein. Die alle zwei Jah­re von der ARGE Sucht­vor­beu­gung orga­ni­sier­te Öster­rei­chi­sche Dia­log­wo­che Alko­hol fin­det heu­er vom 08. bis 15. Mai statt. Sie bie­tet durch eine Rei­he von Ver­an­stal­tun­gen Infor­ma­tio­nen, aber auch Dis­kus­si­ons- und Refle­xi­ons­mög­lich­kei­ten zu einem The­ma, über das in Öster­reich nach wie vor Auf­klä­rungs­be­darf herrscht. 

Alko­hol – eine Kul­tur­dro­ge seit Jahr­tau­sen­den
Bei der Beschäf­ti­gung mit der Sub­stanz Alko­hol aus his­to­ri­scher Per­spek­ti­ve zeigt sich, dass bereits 7000 v. Chris­tus in Chi­na Wein pro­du­ziert und etwa 3000 Jah­re spä­ter in Meso­po­ta­mi­en und Ägyp­ten Bier gebraut wur­de. Um etwa 900 n. Chr. prak­ti­zier­te man in Ara­bi­en erst­mals die Tech­nik des Destil­lie­rens von Alko­hol. Die­ser wur­de aber zunächst meist im Rah­men ritu­el­ler Hand­lun­gen ein­ge­setzt, erst spä­ter wur­de er zu einem auch im All­tag kon­su­mier­ten Produkt.

Der gesell­schaft­li­che und poli­ti­sche Umgang mit Alko­hol hat sich im Lau­fe der Geschich­te und abhän­gig vom kul­tu­rel­len Kon­text immer wie­der stark ver­än­dert. So gab es Zei­ten und Kul­tu­ren, in denen Alko­hol (zumin­dest offi­zi­ell) völ­lig ver­bo­ten war, z.B. in den USA in den 20er und 30er Jah­ren des ver­gan­ge­nen Jahr­hun­derts oder heu­te in man­chen mus­li­mi­schen Staa­ten. Aber auch die­se so genann­te „Pro­hi­bi­ti­on“ führt nicht dazu, dass dann auch tat­säch­lich kein Alko­hol mehr kon­su­miert wird, meist ent­steht ledig­lich ein völ­lig unre­gu­lier­ter Schwarz­markt für alko­ho­li­sche Produkte.

Abge­se­hen von einem völ­li­gen (und inef­fi­zi­en­ten) Ver­bot reicht die Band­brei­te des gesell­schaft­li­chen Umgangs mit Alko­hol von der so genann­ten „alko­hol­ex­zep­tio­nel­len Kul­tur“, in der nur bei ganz weni­gen und klar defi­nier­ten Anläs­sen Alko­hol kon­su­miert wird, bis hin zur „alko­hol­ex­zes­si­ven Norm“, in der Alko­hol­kon­sum qua­si als unver­zicht­ba­rer Bestand­teil des All­tags gilt. Je nach sozia­ler, natio­na­ler oder gesell­schaft­li­cher Zuge­hö­rig­keit bzw. je nach Alter oder indi­vi­du­el­ler Ein­stel­lung bewe­gen sich die Kon­sum­mus­ter zwi­schen die­sen bei­den Polen.

Ent­schei­dend ist: War­um kon­su­mie­re ich Alko­hol?
Das Risi­ko, eine Alko­hol­sucht zu ent­wi­ckeln, hängt im Wesent­li­chen von drei Fak­to­ren ab:

  1. Von der Per­son, dem Indi­vi­du­um selbst: Per­sön­lich­keit, Pro­blem­lö­se­fä­hig­keit, Gesund­heits­zu­stand, Geschlecht, Frus­tra­ti­ons­to­le­ranz, psy­chi­sche Befind­lich­keit, Selbst­wert etc.
  1. Von der Sub­stanz: Ver­füg­bar­keit von alko­ho­li­schen Geträn­ken (leich­te Zugäng­lich­keit), Preis, Art des Kon­sums etc.
  1. Von sozia­len und gesell­schaft­li­chen Rah­men­be­din­gun­gen: fami­liä­res und sozia­les Umfeld, Wohn­si­tua­ti­on, Arbeits­ver­hält­nis­se, Bil­dungs­mög­lich­kei­ten, Freun­des­kreis etc.

Exzes­si­ver bzw. pro­ble­ma­ti­scher Alko­hol­kon­sum – im Unter­schied zum Kon­sum ande­rer Sub­stan­zen wie Niko­tin oder Hero­in, wo die kör­per­li­che Abhän­gig­keit sehr schnell ent­steht – führt meist erst nach län­ge­rer Zeit zur kör­per­li­chen Abhän­gig­keit und die­se ist auch für das sozia­le Umfeld nicht immer sofort wahr­nehm­bar. Alko­hol­miss­brauch wird außer­dem aus gesell­schaft­li­chen Grün­den mit­un­ter lan­ge ignoriert.

Wor­über man sich in der Sucht­for­schung aber einig ist:bEin beson­ders hohes Risi­ko abhän­gig zu wer­den besteht für jene Per­so­nen, die alko­ho­li­sche Geträn­ke vor allem aus fol­gen­den Moti­ven konsumieren:

  • zur Beru­hi­gung und Stressreduktion
  • zur Ver­drän­gung nega­ti­ver Gefühle
  • zur Betäubung/Vermeidung von Angstzuständen
  • um die im All­tag gestell­ten Anfor­de­run­gen bes­ser erfül­len zu können.

Die Gefahr einer Abhän­gig­keit ist also dann beson­ders hoch, wenn Alko­hol regel­mä­ßig zur „Selbst­me­di­ka­ti­on“ (Selbst­be­hand­lung) ein­ge­setzt wird, ins­be­son­de­re bei bestehen­den psy­chi­schen Erkran­kun­gen, z.B. bei Depres­sio­nen oder Angst­er­kran­kun­gen. Dabei kommt es zur so genann­ten „Kom­or­bi­di­tät“, das heißt, dass neben der Alko­hol­ab­hän­gig­keit eine wei­te­re psych­ia­tri­sche Krank­heit dia­gnos­ti­ziert wird, manch­mal auch meh­re­re. Die­ses Phä­no­men fin­det sich gene­rell bei Sucht­er­kran­kun­gen häu­fig, wobei – als typi­sche Hen­ne-Ei-Pro­ble­ma­tik – nicht immer klar zu erken­nen ist, was zuerst vor­lag. Denn es ist längst wis­sen­schaft­lich erwie­sen, dass Alko­hol­kon­sum auch Depres­sio­nen för­dern kann bzw. die­se bei­den psy­chi­schen Erkran­kun­gen ein­an­der wech­sel­sei­tig verstärken.

Zah­len in Öster­reich
An die­ser Stel­le zur Ori­en­tie­rung die aktu­el­len Zah­len Alko­hol­ab­hän­gi­ger und wei­te­re Daten: Es wer­den in Öster­reich ca. zwi­schen 340.000 und 370.000 Per­so­nen als alko­hol­ab­hän­gig ein­ge­stuft, zusätz­lich wei­sen ca. 650.000 Per­so­nen ein sehr ris­kan­tes Trink­ver­hal­ten auf. Man kann also davon aus­ge­hen, dass etwa eine Mil­li­on Österreicher*innen Pro­ble­me im Umgang mit Alko­hol hat. Pro Kopf wer­den hier­zu­lan­de jähr­lich knapp 12 Liter rei­ner Alko­hol getrun­ken. Öster­reich liegt damit im euro­päi­schen Mit­tel­feld, zwar hin­ter Deutsch­land oder Frank­reich, jedoch bei­spiels­wei­se vor der Slo­wa­kei, Est­land, Finn­land oder Grie­chen­land. Ein Trend, der sich in den letz­ten Jah­ren jedoch welt­weit abzeich­net, ist der Anstieg des Alko­hol­kon­sums bei Frau­en. Eben­so steigt der Anteil der weib­li­chen Alko­hol­kran­ken kontinuierlich.

Noch ist die genaue Daten­la­ge hin­sicht­lich der jüngs­ten Ent­wick­lun­gen des Alko­hol­kon­sums wäh­rend und nach der COVID-19-Pan­de­mie, vor allem die damit ver­bun­de­nen Lang­zeit­fol­gen betref­fend, rela­tiv unsi­cher. In jedem Fall ist es aber wich­tig – und zwar sowohl für Betrof­fe­ne als auch für deren Ange­hö­ri­ge – sich bei pro­ble­ma­ti­schem Trink­ver­hal­ten mög­lichst rasch Hil­fe zu suchen. Sei es bei der*dem Hausärztin*Hausarzt oder in den Sucht­be­ra­tungs­stel­len, die es flä­chen­de­ckend in ganz NÖ wie bun­des­weit gibt. Je frü­her eine Behand­lung begon­nen wird, umso leich­ter kann eine Alko­hol­krank­heit gestoppt und the­ra­piert wer­den. Dies ist nicht zuletzt des­halb wich­tig, um das Risi­ko wei­te­rer gesund­heit­li­cher und sozia­ler Fol­ge­schä­den zu minimieren. 

Möch­ten Sie wei­ter­le­sen? Hier geht es zum zwei­ten Teil der Artikelreihe.

Und hier fin­den Sie den drit­ten Teil.

sie wol­len über ihren alko­hol­kon­sum nach­den­ken? hier fin­den sie unse­re bera­tungs­stel­len.


AUTORIN
Päd­ago­gin (Deutsch, Fran­zö­sisch und Per­sön­lich­keits­bil­dung), Refe­ren­tin der Fach­stel­le NÖ, Stu­di­um der Sozi­al­the­ra­pie – Schwer­punkt Sucht.

Anton-Proksch-Insti­tut in Wien. Infor­ma­tio­nen zum The­ma Alko­hol­sucht und deren The­ra­pie. Ver­füg­bar unter: https://www.api.or.at/sucht-abhaengigkeit/alkoholsucht/

Birin­ger, Eva (2022): Unab­hän­gig. Vom Trin­ken und Los­las­sen. Har­per­Coll­ins. Hamburg.

Bour­dieu, Pierre (1990): La domi­na­ti­on mas­cu­li­ne. In: Actes de la recher­che en sci­en­ces socia­les. Vol. 84, sep­tembre 1990. Masculin/féminin‑2. pp. 2–31. Ver­füg­bar unter: https://www.persee.fr/doc/arss_0335-5322_1990_num_84_1_2947 

Brühl, Jan­nis (2015): Sau­fen und Glück. Streit­ge­spräch zwi­schen Robert Pfal­ler und Dani­el Schrei­ber. Köl­ner Phi­lo­so­phie-Fes­ti­val 2015. In: Süd­deut­sche Zei­tung (03.06.2015). Ver­füg­bar unter: https://www.sueddeutsche.de/kultur/koelner-philosophiefestival-saufen-und-glueck‑1.2505366

Bun­des­mi­nis­te­ri­um für Gesund­heit Deutsch­land (2016): Kurz­be­richt – Belas­tung Drit­ter durch alko­hol­be­ding­te Schä­den. Ver­füg­bar unter: https://www.bundesgesundheitsministerium.de/fileadmin/Dateien/5_Publikationen/Drogen_und_Sucht/Berichte/Kurzbericht_Schaeden_fuer_Dritte_durch_Alkohol.pdf

Bun­des­zen­tra­le für gesund­heit­li­che Auf­klä­rung (BZgA) (2020): Alko­hol und COVID-19: Was Sie wis­sen soll­ten. Ver­füg­bar unter: https://www.kenn-dein-limit.de/fakten-ueber-alkohol/alkohol-und-corona/

Coul­ter, Kris­ti (2016): Die betrun­ke­ne Frau. In: Die ZEIT Cam­pus (31.08.2016). Ver­füg­bar unter: https://www.zeit.de/campus/2016–08/alkohol-frauen-wein-alkoholismus-feminismus-patriarchat

Dia­log­wo­che Alko­hol (Öster­rei­chi­schen ARGE Sucht­vor­beu­gung in Koope­ra­ti­on mit dem Dach­ver­band der Sozi­al­ver­si­che­rungs­trä­ger und der Gesund­heit Öster­reich GmbH.). Mate­ria­li­en zum The­ma Alko­hol­kon­sum in Öster­reich. Ver­füg­bar unter: https://www.dialogwoche-alkohol.at/wissen/zahlen-fakten/

Dia­log­wo­che Alko­hol. Alko­hol in Kri­sen­zei­ten. Facts­heet. Ver­füg­bar unter: https://www.dialogwoche-alkohol.at/alkohol-in-krisenzeiten/

Dießelkämper/ Trönd­le (2022): Alko­hol­kon­sum in der Pan­de­mie. Und plötz­lich trinkt man allein zu Hau­se. In: Die Zeit Cam­pus. 22.01.2022. Ver­füg­bar unter: https://www.zeit.de/campus/2022–01/alkoholkonsum-pandemie-junge-menschen-abhaengigkeit

Gao, Jun­ling et al. (2020): Men­tal health pro­blems and social media expo­sure during COVID-19 out­break. Ver­füg­bar unter: https://journals.plos.org/plosone/article?id=10.1371/journal.pone.0231924

GOOP-Group: Ever­y­thing You Need to Know about Natu­ral, Orga­nic, and Bio­dy­na­mic Wines. Ver­füg­bar unter: https://goop.com/wellness/environmental-health-civics/what-are-natural-organic-biodynamic-wines/

Gru­ber, Jane et al. (2020): Men­tal Health and Cli­ni­cal Psy­cho­lo­gi­cal Sci­ence in the Time of COVID-19: Chal­lenges, Oppor­tu­ni­ties, and a Call to Action. Ver­füg­bar unter: https://doi.apa.org/fulltext/2020–58594-001.html

Insti­tut für Sozi­al­äs­the­tik und psy­chi­sche Gesund­heit (2022): Doping im All­tag, Gebrauch von Medi­ka­men­ten, Nah­rungs­er­gän­zungs­mit­teln & Co in Öster­reich. Eine Reprä­sen­ta­tiv­erhe­bung des Insti­tuts für Sozi­al­äs­the­tik und psy­chi­sche Gesund­heit der Sig­mund Freud Pri­vat­uni­ver­si­tät Wien im Auf­trag der Stif­tung Anton Proksch Insti­tut. Ver­füg­bar unter: https://www.api.or.at/img/pdf-Datei/Studien/Studienbericht_Alltagsdoping_in_Oesterreich_Teil_1.pdf?m=1655466878&

Kiel­holz P, Lade­wig D (1973) Die Abhän­gig­keit von Dro­gen. München.

Manthey/ Kili­an et al. (2020): Alko­hol­kon­sum in Deutsch­land und Euro­pa wäh­rend der SARS-CoV‑2 Pan­de­mie. In: Sucht (2020), 66, S. 247–258.

Pörk­sen, Bern­hard (2018): Die gro­ße Gereizt­heit. Wege aus der kol­lek­ti­ven Erre­gung. Han­ser. München.

Schie­stl, David (2020): Alko­hol und Tabak in der Kri­se – ein Update zum Genuss­mit­tel­kon­sum Anfang Mai. Ver­füg­bar unter: https://viecer.univie.ac.at/corona-blog/corona-blog-beitraege/blog36/

Schmid­bau­er (2004): Das Hand­buch der Rauschdrogen.

Spie­gel Kul­tur (2011): Wir genie­ßen trot­zig. Der Phi­lo­soph Robert Pfal­ler über Maß und Maß­lo­sig­keit. In: Spie­gel Kul­tur, 30.05.2011. Ver­füg­bar unter: https://www.spiegel.de/kultur/gesellschaft/mass-und-masslosigkeit-wir-geniessen-trotzig-a-766210.html

Uhl, Alfred et al. (2021): Hand­buch Alko­hol Öster­reich Band 3: Aus­ge­wähl­te The­men. Gesund­heit Öster­reich GmbH. Wien.

Wei­chert, Sil­ke: Mit klei­nem Schwips die Kri­se meis­tern? In: Süd­deut­sche Zei­tung (05.06.2020). Ver­füg­bar unter: https://www.sueddeutsche.de/leben/netzphaenomen-wein-statt-weinen‑1.4924421

World Health Orga­niza­ti­on (2022): Alco­hol – Key facts. Ver­füg­bar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/alcohol 

Wei­te­re Quel­len:
“Der glo­ba­le Rausch” (2019) – Doku­men­tar­film von Andre­as Pich­ler. Mit David Nutt, Rapha­el Gaß­mann, Har­vey Milk­man und Lorenz Gallmetzer.

„Der Tages­spie­gel, 18.10.2004:  Des Wod­kas rei­ne Schwes­ter. Ver­füg­bar unter: https://www.tagesspiegel.de/berlin/des-wodkas-reine-schwester/555736.html

ARTE-Doku­men­ta­ti­on „Gehirn unter Dro­gen“. Ver­füg­bar unter: https://www.youtube.com/watch?v=ZbduyE9gfz0

Downloads

_

Online Angebote
Downloads

_