Gefühlt gibt es keinen Festtag, der die Wellen so hochschlagen lässt, wie der Frauentag. Die einen wollen ihn gerne ignorieren und verstehen den Sinn nicht, die anderen wiederum wollen ihn umbenannt sehen in „feministischer Kampftag“, „Flinta*-Tag“ oder „Anti Patriarchats-Tag“. Aber braucht es ihn wirklich?
Sucht man nach Zeitungsartikeln, die sich mit dem Thema „Frauentag“ beschäftigen, stößt man schnell auf eine Flut von Meinungen und Kommentaren, die dem Thema eher negativ gegenüberstehen:
„Der Frauentag dient nur einer Mobilisierung von Wähler*innen.“ „Er bedient nur eine Verweiblichung der Sprache.“ „Um „echte“ Frauenprobleme wird sich nicht gekümmert.“ „Er führt (einer unnötigen Spaltung der Gesellschaft.“ „Frauen werden als Opfer inszeniert und Männer als die Bösen.“[1]
Übrig bleibt dann oft die Frage, wozu es diesen Tag eigentlich braucht und wieso es dann nicht auch einen Männertag gibt? – Dieser ist zwar nicht so bekannt, aber es gibt ihn: Der Internationale Männertag wurde 1999 gegründet und findet jährlich am 19.November statt.
Kleiner historischer Abriss:
Der Frauentag wurde bereits vor über 100 Jahren eingeführt, genaugenommen im Jahr 1911, und somit ist er auch (hierzulande um 13 Jahre!) älter als der Muttertag, welcher im deutschsprachigen Raum erst um 1924 etabliert wurde. Die Gründung des Frauentages wird zu einem Großteil der Frauenrechtlerin Clara Zetkin zugeschrieben, wobei es nicht den „einen“ Gründungstag gibt, und viele verschiedene Ereignisse und Strömungen weltweit zur Gründung des Frauentages geführt haben. Die wichtigste Forderung damals war das Frauenwahlrecht, welches dank des Einsatzes vieler Aktivist*innen, in Österreich am 18.12.1918 beschlossen wurde.
Im Gegensatz zum Muttertag, dessen Anforderungen man leicht mit einem Strauß Blumen oder Schokolade bedienen kann, ist der Frauentag ein Ereignis, das von einem großen Teil der Bevölkerung als lästig wahrgenommen wird.
Und das soll auch so sein, schließlich wurde der Frauentag ins Leben gerufen, um unbequem zu sein, um aufzuzeigen, dass eben noch nicht alles toll ist, dass gelebte Gleichberechtigung noch nicht in allen Lebensbereichen angekommen ist und noch viele Themen diskutiert und weiter vorangetrieben gehören.
Und damit sind nicht nur internationale Frauenthemen gemeint, wie z.B. die extrem restriktive Frauen-Politik mancher Länder oder die weltweit geführte Diskussion um reproduktive Rechte von Frauen, sondern auch Themen, die hier in Österreich zu einer Schlechterstellung der Frau führen.
Nicht nur international liegen Dinge im Argen
Innerhalb der EU gilt Österreich als „Land der Femizide“.[2] Unter einem Femizid versteht man die vorsätzliche Tötung einer Frau durch einen Mann aufgrund ihres Geschlechts bzw. aufgrund von „Verstößen“ gegen die traditionellen sozialen und patriarchalen Rollenvorstellungen, die Frauen zugeschrieben werden. Im Vergleich zu anderen Ländern ist die Zahl an Frauenmorden in Bezugnahme auf die Bevölkerungsanzahl hierzulande besonders hoch.
Abgesehen von Gewalt, der viele Frauen ausgesetzt sind, haben die meisten Frauen eine Doppelbelastung durch Arbeit zu tragen: Ein Großteil[3] der so genannten Care Arbeit, also Aufgaben wie Kinderbetreuung oder Altenpflege, liegt noch immer in weiblicher Hand. Dieses hauptsächliche Tragen der Care Arbeit führt zu einer Doppelbelastung, da die meisten Frauen zusätzlich zu diesen Tätigkeiten noch arbeiten gehen müssen, um das Einkommen abzusichern. Ein Problem, das übrigens auch schon beim ersten Frauentag aufgezeigt wurde![4]
In Führungspositionen und Regierungsämtern sind wir von einer 50/50 Aufteilung noch weit entfernt, was dazu führt, dass die Probleme der Hälfte der Bevölkerung entweder gar nicht gesehen werden oder eine Lösung aus der männlichen Perspektive erdacht wird. Diese Perspektive ist zwar nicht per se schlecht, spiegelt aber eine andere Lebensrealität wider und ist somit nur wenig brauchbar.
Nicht nur, dass es für „altbekannte“ Themen, wie z.B. den Gender Pay Gap, noch keine Lösung gibt, kommen auch immer wieder neue Probleme auf. So zeigen Studien[5] einen beunruhigenden Trend auf Social Media Plattformen, wo Algorithmen sexistische und misogyne Inhalte fördern, die sich letztlich auch im Alltag von Jugendlichen widerspiegeln.
Trends wie Tradwives (Kürzel für Traditionelle Hausfrauen) oder Stay at Home Girlfriends verstärken die erneute Zementierung von alten Rollenbildern und negieren die folgenreichen Konsequenzen, die ein solches Lebensmodell für junge Frauen haben kann.
Was bringt der Frauentag den Männern?
Der Mann als das „starke“ und die Frau als das „schwache“ Geschlecht sind tief in unserer Gesellschaft verankert und das äußert sich in Strukturen, die fast ausschließlich auf das „vermeintliche“ Wohl von Männern ausgerichtet sind. Und obwohl Männer nicht auf struktureller Ebene benachteiligt werden, sind sie doch auf individueller Ebene davon betroffen.
Das klassische Männerbild ist gekennzeichnet von Dominanz und Kontrolle, schon den Kleinsten wird beigebracht, dass man stark sein muss, nicht weinen darf oder „ein Indianer keinen Schmerz kennt“. Langfristig führt das Festhalten an diesem Männerbild dazu, dass Emotionen unterdrückt werden, Männer seltener zu medizinischem Fachpersonal gehen und riskantes Verhalten zeigen, um Stärke zu beweisen. Dass Männer früher sterben als Frauen ist keine unabänderliche Laune der Natur, sondern ein direktes Resultat dieser Erwartungen an „Männlichkeit“.
Weichen Männer von dieser vorgegebenen Bahn ab und wählen z.B. Berufe, die als klassisch weiblich gelten, oder wirken in ihrem Äußeren eher weich oder gar feminin, wird ihnen schnell mit Spott und Aggression begegnet. Entscheiden sich Männer für eine mehrmonatige Väterkarenz wird ihnen im besten Fall zum langen Urlaub gratuliert. Übrig bleibt der bittere Beigeschmack, sich permanent für seine Entscheidungen rechtfertigen zu müssen.
Fakt ist: Die Gleichstellung der Geschlechter ist keine Frauensache, sondern ein Menschenrecht. Und sie betrifft uns alle: Mädchen*, Frauen*, Buben* und Männer*.
Das Aufbrechen der Strukturen ist eine langwierige Angelegenheit und bedarf stetiger Bemühungen. Der Frauentag erinnert uns alljährlich daran, was schon erreicht wurde und was noch erreicht werden muss. Und ja, es wurde schon viel erreicht! Früher noch totgeschwiegen sind heute feministische Themen einer breiten Öffentlichkeit bekannt, was einen Diskurs ermöglicht und damit auch ein Weiterkommen in der Gesellschaft. Aktuelle Erhebungen der Arbeiterkammer Wien[6] sowie der Statistik Austria[7] zeigen einen langsamen, aber stetigen Anstieg sowohl beim Frauenanteil in Unternehmen, als auch bei der Aufteilung der Care Arbeit.
Seit den ersten Forderungen nach einem Wahlrecht haben Frauen inzwischen die rechtliche Gleichstellung erkämpft. Nun ist es an der Zeit, diese Rechte auch aktiv zu leben und privat wie auch beruflich für Selbstbestimmung und Gleichwertigkeit einzustehen.
AUTORIN
Quellen
[1] Mitreden: Wozu braucht es einen Internationalen Frauentag? (2023, 07.März). Die Presse. https://www.diepresse.com/6259621/mitreden-wozu-braucht-es-einen-internationalen-frauentag
[2] Infoblatt über Femizide in Österreich. (2023, 31.Dezember). AOEF. https://www.aoef.at/images/04a_zahlen-und-daten/Factsheet_Femizide-in-Oesterreich_AOeF.pdf
[3] Frauen verbringen mehr Zeit mit Arbeit als Männer. (2023, 23.Dezember). Statistik. https://www.statistik.at/fileadmin/announcement/2023/12/20231218ZVE20212022.pdf
[4] Bader-Zaar, B. (2011). „…der Forderung nach dem Frauenwahlrecht erhöhte Kraft und Lebendigkeit zu verleihen“: der Internationale Frauentag in der Habsburgermonarchie 1911–1918. Niederkofler, H., Mesner, M. & Zechner, J. (Hrsg.), Frauentag! Erfindung und Karriere einer Tradition (S.42). Löcker
[5] Regehr, K., Shaughnessy, C., Shaughnessy, N. & Zhao, M. (2024). Safer Scrolling-How algorithms popularise and gamify online hate and misogyny for young people. University College London & University of Kent. https://www.ascl.org.uk/ASCL/media/ASCL/Help%20and%20advice/Inclusion/Safer-scrolling.pdf
[6] Haager, T. & Hudelist, S. (2024). Frauen.Management.Report.2024 – Lichtblicke ohne Leuchttürme. Verlag Arbeiterkammer Wien. https://www.arbeiterkammer.at/interessenvertretung/arbeitundsoziales/frauen/Frauen.Management.Report.2024.pdf
[7] Foissner, F. & Trap, J. (2023). Zeitverwendung. Statistik Austria. https://www.statistik.at/fileadmin/user_upload/ZVE_2021-22_barrierefrei.pdf