Lernen Sie in 3–5 Minuten Gesprächszeit, problematische Konsummuster anzusprechen und ihnen entgegenzuwirken – mit Switch, der Weiterbildung zur ärztlichen Kurzintervention
Hierzulande ist Alkoholkonsum gesellschaftlich stark verankert. Und Feste ohne Alkohol zu feiern, scheint nahezu undenkbar. Daher ist es nicht verwunderlich, dass Österreich beim Alkoholkonsum im europäischen Spitzenfeld zu finden ist.
Auch die Zahlen belegen das!
Etwa 370.000 Menschen, älter als 15 Jahre, erfüllen die Kriterien der Alkoholabhängigkeit. Das bedeutet, dass ca. 14% aller jungen Erwachsenen einen Alkoholkonsum haben, der ihre Gesundheit gefährdet.1
Jährlich sterben dadurch in Österreich etwa 8.000 Personen.
Trotzdem ist hoher und vor allem unkritischer Alkoholkonsum in der Bevölkerung weit verbreitet.
Gleichzeitig gelten etwa 1,2 Mio. Österreicher*innen als nikotinabhängig.1 Mehr als die Hälfte der täglichen Raucher*innen denken immer wieder über eine Veränderung nach und wollen zumindest die Anzahl der gerauchten Zigaretten reduzieren.2 Zwischen 11.000 und 14.000 Menschen sterben in Österreich jährlich an den Folgen des Rauchens.
Das sind Zahlen, die alarmieren und gleichzeitig auch die negativen Auswirkungen von Alkohol- und Nikotinabhängigkeit auf die ganze Gesellschaft zeigen.
Nur wenige Personen mit problematischem Alkohol- oder Nikotinkonsum finden frühzeitig den Weg in eine spezialisierte, suchttherapeutische Einrichtung. Jedoch werden (haus-)ärztliche Ordinationen von dieser Gruppe regelmäßig besucht. Dabei stehen die Besuchsgründe für die Patient*innen zumeist in keinem direkten Zusammenhang mit den für die Gesundheit problematischen Konsummustern. Die Konsumproblematik selbst wird also von den Patient*innen nur sehr selten von sich aus thematisiert.
An dieser Stelle ist die Rolle der Ärztin oder des Arztes besonders wichtig, denn hier bietet sich eine Chance potenzielle Probleme frühzeitig anzusprechen und gezielte Interventionen zu setzen.
Wissenschaftliche Studien zeigen uns, dass deutliche Veränderungen der Konsummuster möglich sind, wenn Ärztinnen und Ärzte problematische Themen adäquat ansprechen können.3
Vor allem in den Frühphasen des problematischen Konsums kann durch dieses Ansprechen bei den betroffenen Personen, mit nur wenig Zeitaufwand, die intrinsische Motivation zur Veränderung gefördert werden.
Seit Enid Balint 1973 in „5 Minuten pro Patient“ die Wirksamkeit und Sinnhaftigkeit von ärztlichen Kurzinterventionen beschrieben und nachgewiesen hat, sind diese immer mehr zu einem fixen Bestandteil (haus-)ärztlichen Handelns geworden.4
Nicht immer muss das spontan und aus dem Stehgreif ablaufen, denn auch für ärztliche Kurzinterventionen gibt es Leitfäden und Methodenhilfen.
Genau hier kommt Switch ins Spiel.
Switch liefert uns Ärztinnen und Ärzten spezifische und themenzentrierte Methoden für die Kurzintervention bei problematischem Substanzkonsum. Damit kann Switch als wertvolle Erweiterung bekannter Kurzinterventionskonzepte angesehen werden.
Die 8‑stündige Fortbildung liefert ein kompaktes Instrumentarium an Methoden der Frühdiagnostik sowie einen Interventionsleitfaden für das ärztliche Gespräch.
Das vorgestellte Kurzinterventionskonzept wurde basierend auf den Grundsätzen, Erkenntnissen und Methoden der Motivierenden Gesprächsführung nach Miller und Rollnick entwickelt und lässt sich leicht in den eigenen Gesprächsstil integrieren. Besonders geeignet ist es für die Anwendung im Rahmen von Kurzkontakten im Praxisalltag. Der Einsatz in anderen Ländern hat gezeigt, dass ärztliche Kurzintervention bereits in 3–5‑minütigen Gesprächssequenzen Wirkung zeigt und psychische und physische Folgeschäden von problematischen Alkohol- und/oder Nikotinkonsum vermindern kann.
Diese Gelegenheit gilt es zum Wohle der betroffenen Patient*innen, ihres Umfeldes und der Gesellschaft zu ergreifen.
Anwendende Ärztinnen und Ärzte können mit der Weiterbildung ihre Gesprächsführungskompetenzen erweitern, was häufig mit höherer beruflicher Zufriedenheit verbunden ist und einen Beitrag zur eigenen Psychohygiene darstellt. Darüber hinaus können sie die Methoden, wenn sie sich mit den Prinzipien der ärztlichen Kurzintervention einmal vertraut gemacht haben, auch beim Ansprechen anderer heikler, gesundheitsrelevanter Themen – wie z.B. bei Übergewicht – nutzen.
Ich selbst habe mehr als 25 Jahre in unterschiedlichen Einrichtungen der Suchthilfe als Ärztin und Psychotherapeutin gearbeitet. Motivierende Gesprächsführung habe ich 2006 kennengelernt und in meine Arbeit integriert. Durch meine ersten Anwendungen der Methodik habe ich sehr bald erlebt, welchen positiven Effekt einfache Maßnahmen, wie beispielsweise das simple Betonen der Autonomie, auf den Gesprächsverlauf haben können. Ich habe gemerkt, dass das speziell dann gilt, wenn sich das Gegenüber scheinbar nicht mit den problematischen Konsummustern auseinander setzten möchte und das Ansprechen dieser als Grenzüberschreitung und Einschränkung der persönlichen Freiheit wahrgenommen wird.
Auf den Satz „Das lasse ich mir nicht auch noch von Ihnen verbieten“, „da bleibt mir ja gar kein Vergnügen“
beispielsweise zu antworten mit:
„Ja, Sie haben Recht, nur Sie selbst können entscheiden, welche Schritte Sie setzen möchten und worauf Sie eventuell verzichten wollen.“
oder
„Sie haben Recht – nur Sie selbst entscheiden, was Sie beibehalten und was Sie verändern möchten.“
Hat häufig erst ein konstruktives Gespräch ermöglicht, für das die aktive Beteiligung der*s Patient*in ja unabdingbar ist.
Oft habe ich auch erlebt, wie verwundert Patient*innen waren, wenn ich sie nach den persönlichen Vorteilen gefragt habe, die ihr Konsum mit sich bringt. Die detaillierte Beschäftigung mit den Vor- und Nachteilen des Konsumverhaltens ist besonders bei Patient*innen wichtig, die einer Veränderung hochgradig ambivalent gegenüberstehen.
Ambivalenz wird in diesem Sinne als ein natürliches Phänomen im Verlauf des Veränderungsprozesses verstanden, als Zeichen dafür, dass jemand schon mit der oftmals unvorstellbaren und schmerzhaften, aber zunehmend als notwendig empfundenen Veränderung sich auseinanderzusetzen beginnt.
Ein gutes Gespräch nach den Kriterien von Motivierender Gesprächsführung ist wie ein gemeinsamer Tanz auf gleicher Augenhöhe, nicht wie ein Ringkampf, wo einer versucht den anderen durch Argumente zu überzeugen.
Das gemeinsame Beleuchten und Ausloten der Möglichkeiten der Patient*innen steht im Vordergrund.
Ohne erhobenen Zeigefinger, ohne der metaphorischen Brechstange, ohne verhörende Fragen ermöglicht das Kurzinterventionskonzept, die intrinsische Motivation der Patient*innen zu gesundheitsbewussten Veränderungen zu erhöhen.
Diese konzeptionelle Ausrichtung von Switch entlastet uns Mediziner*innen und erhöht zusätzlich die Zufriedenheit unserer Patient*innen.
Die Integration der Haltung, der Prinzipien und Methoden der Motivierenden Gesprächsführung hat meine Arbeitsweise auf vielfältige Weise bereichert und mir neue Zugänge zu meinen Patient*innen ermöglicht.
Ich freue mich sehr, dass jetzt erstmalig eine kompakte Fortbildung, zugeschnitten auf die Bedürfnisse und Anforderungen von Ärztinnen und Ärzten in der Primärversorgung, zur Verfügung steht!
Dr.in Elisabeth Ottel-Gattringer
AUTORIN
1 Gschwandtner, F., Lehner, R., Paulik, R., Schmidbauer, R., Seyer, S. (2019): Factsheet Sucht. Überblick über statistische Kennzahlen zur Abhängigkeit, zum Konsum von psychoaktiven Substanzen und zu Verhaltenssüchten in Oberösterreich und Österreich. Institut Suchtprävention (Hrsg.). Linz. www.praevention.at/fileadmin/user_upload/08_Sucht/Factsheet_SuchtV2_9.pdf (abgerufen am 22.06.2020)
2 Seyer, S., Paulik, R., Lehner, R., Gschwandtner, F., Reiter, A., Unger, S. (2020): Drogenmonitoring Oberösterreich. Ergebnisbericht mit dem Forschungsschwerpunkt Cannabiskonsum. Institut Suchtprävention (Hrsg.). Linz.
3 Moyer A, Finney JW, Swearingen CE, Vergun P: Brief interventions for alcohol problems: A meta-analytic review of controlled investigations in treatment-seeking and non-treatmentseeking populations. Addiction 2002; 97: 279–92 CrossRef MEDLINE Effectiveness of brief alcohol interventions in primary care populations. Kaner EF, Beyer FR, Muirhead C, Campbell F, Pienaar ED, Bertholet N, Daeppen JB, Saunders JB, Burnand B.Cochrane Database Syst Rev. 2018 Feb 24;2(2):CD004148. doi: 0.1002/14651858.CD004148.pub4.PMID: 29476653
4 Enid Balint, J.S. Norell: Fünf Minuten pro Patient. Eine Studie über die Interaktionen in der ärztlichen Allgemeinpraxis, Surkamp Verlag, Frankfurt 1975