Aktuell ist das neue Positionspapier „Tabak und Nikotin“ 1 der österreichischen Fachstellen für Suchtprävention erschienen. Das Papier gibt die fachliche Einschätzung aller neun österreichischen Fachstellen zum Thema „Tabak und Nikotin“ wieder.
Neben grundsätzlichen Informationen, wie gesundheitlichen Risiken und Zahlen zur Prävalenz (Häufigkeiten des Konsums diverser Produkte und der Abhängigkeitshäufigkeit), geht das Papier einer essenziellen Frage nach: Was braucht es, um den Nikotinkonsum in der Bevölkerung zu reduzieren?
Drei Kernbereiche sind für die Reduktion des Tabak- und Nikotinkonsums unabdingbar: Prävention, Entwöhnung und Tabak- und Nikotinkontrolle.
Prävention
Österreichweite Maßnahmen zur Information, Sensibilisierung und Mobilisierung sollen die negativen Folgen des Tabak- und Nikotinkonsums und die positiven Effekte eines nikotinfreien Lebens hervorheben. Die Stärkung des Nichtrauchens als Norm steht im Zentrum. Aufgrund des großen Gefahrenpotenzials von Nikotinkonsum wird dieser zunehmend reglementiert, was zu einer (langsamen) Veränderung der gesellschaftlichen Norm führt. Es ist wichtig, diese strukturellen Veränderungen in verschiedenen Settings (z. B. Betrieben, Schulen, Gastronomie, etc.) professionell zu begleiten und eventuelle Widerstände abzufedern.
Die Österreichische Suchtprävention handelt wissenschaftsbasiert. Lebenskompetenzprogramme zeigen gute Ergebnisse in der Suchtpräventionsforschung. Diese Programme für Kinder und Jugendliche weiterhin umzusetzen und flächendeckend auszubauen, ist ein wichtiges Ziel der Prävention (siehe dazu auch Plus und Gemeinsam Stark werden). Wesentlich ist es zudem, Eltern und Erwachsene in ihrer Vorbildrolle zu stärken (siehe dazu z. B. „Übers Rauchen reden“ oder diverse Fortbildungen für Pädagog*innen z. B. bei Free Your Mind). Schließlich sollten politische Entscheidungen aller Lebensbereiche auf ihre Sozial- und Gesundheitsverträglichkeit hin überprüft werden und eine Kooperation von staatlichen Stellen mit Einrichtungen der Suchtprävention angestrebt werden.
Entwöhnung
Um möglichst wirksame Entwöhnung anzubieten, ist es wichtig, auf Basis von Qualitätskriterien Entwöhnexpert*innen auszubilden. Die Entwöhnung von Tabak und Nikotin sollte öffentlich gefördert werden. Ein flächendeckendes Angebot effektiver ambulanter und stationärer Tabakentwöhnung ist bzw. wäre zielführend. So könnten auch sozioökonomisch benachteiligte Raucher*innen besser erreicht werden. Das Rauchfrei Telefon ist zentraler Bestandteil des Reduktionsangebots von Tabakkonsum und sollte ausreichend finanziert werden. Ein wichtiger weiterer Schritt ist, Gesundheitsberufe in Kurzintervention zu schulen und deren Beratung zu honorieren (siehe z. B. Switch). Die Patient*innen werden adäquat auf ihr Rauchverhalten angesprochen und dadurch zu einem Konsumstopp angeregt.
Neue Produkte, wie E‑Zigaretten und Tabakerhitzer, werden immer wieder mit dem Schlagwort „Harm Reduction“ (Schadensminimierung) vermarktet. Weder E‑Zigaretten noch Tabakerhitzer sind jedoch mit geprüfter Wirksamkeit als Substitution (d. h. eine Substanz wird durch eine andere ersetzt) zugelassen. Der für viele Menschen zu erwartende Schaden (laut vorliegenden Daten) überwiegt bei weitem den eventuellen Nutzen weniger Menschen (Rauchende, die aufhören wollen und bereits alle anderen Möglichkeiten der Entwöhnung erfolglos durchlaufen haben). Es wäre fatal, wenn junge Menschen zu rauchen beginnen, weil sie denken, dass das Rauchen mit diesen Produkten wenig gefährlich wäre. Durch den Konsum von E‑Zigaretten und Tabakerhitzern werden zwar weniger Schadstoffe (z.B. Teer) aufgenommen, sie sind dennoch schädlich und haben hohes Abhängigkeitspotential.
Tabak- und Nikotinkontrolle
Es kommen fortlaufend neue Produkte auf den Markt, die versuchen gesetzliche Vorgaben zu umgehen. So werden derzeit Nikotinbeutel angeboten, die nicht durch das Tabak- und Nichtraucher*innengesetz (TNRSG), welches unter anderem das Verbot des Inverkehrbringens von Tabakerzeugnissen regelt, erfasst sind. Durch eine breitere Definition im TNRSG sollten solche neuen Produkte in Zukunft besser geregelt sein. Eine Nikotin-Obergrenze für frei verkäufliche Nikotin-Produkte wird angeregt.
Sinnvoll wäre es, die Tabaksteuer deutlich zu erhöhen. Dies ist eine hochwirksame und kosteneffiziente Maßnahme. Es sollten vergleichbare Produkte gleichermaßen besteuert werden und auch verwandte Erzeugnisse (z. B. E‑Zigaretten) mit einer Tabaksteuer versehen werden.
Eine weitere Drehschraube, an der zum Zwecke des Konsumrückgangs von Tabak- und Nikotinprodukten gedreht werden kann, ist das Durchsetzen von rauchfreien Innenräumen. Die Umsetzung der rauchfreien Innenräume in der Gastronomie war ein Meilenstein dazu. Ein rauchfreies Umfeld schützt die Gesundheit, reduziert Gelegenheiten zum Konsum und trägt ein Stück dazu bei, dass Nichtrauchen als Norm wahrgenommen wird.
In Österreich ist Werbung für Tabakprodukte und verwandte Erzeugnisse verboten, was sehr zu begrüßen ist. Einzig in Tabakfachgeschäften und an deren Außenflächen ist dies noch möglich. Hier sollte nachgebessert und die Werbemöglichkeit auf diesen Flächen eingeschränkt werden. Zudem sollte Werbung über Soziale Medien (z. B. über Influencer*innen) nach Möglichkeit unterbunden werden – hier gibt es für Konzerne ein Schlupfloch. Internationale Möglichkeiten für Regulierungen von Werbung müssen ausgelotet werden.
Produktregulierung (Lizenzierung von Verkaufsstellen, standardisierte Verpackungen) sowie Maßnahmen, um den Illegalen Handel zu unterbinden, sind weitere wichtige Schritte der Tabak- und Nikotinkontrolle.
Schließlich begrüßen alle österreichischen Fachstellen die Anhebung der Altersgrenze für den Tabakkonsum auf 18 Jahre und setzen sich für ein gemeinsames österreichisches Jugendgesetz ein. Derzeit ist der Jugendschutz in jedem Bundesland autonom geregelt. Außerdem ist es wichtig, dass auch neue Produkte (wie z. B. Nikotinbeutel) darin geregelt werden und vorrausschauend alle Produkte, welche zur Nikotinaufnahme bestimmt sind, automatisch in das Jugendgesetz integriert werden, sofern sie nicht als pharmakologische Produkte definiert sind.
Strukturen und Voraussetzungen
Um das alles umsetzen zu können, bedarf es passender Strukturen und Voraussetzungen.
Eine langfristige österreichweite Tabak- und Nikotinstrategie umzusetzen, ist dringend notwendig. Wichtig ist, dass diese Strategie wissensbasiert erstellt wird, dass sie auf bereits erfolgreiche Strategien zurückgreift und dass Prävention, Entwöhnung und Tabak- und Nikotinkontrolle darin Berücksichtigung finden. Die im Jahr 2021 vom Gesundheitsministerium in Auftrag gegebene „Tabak- und Nikotinstrategie Österreich“, bei der rund 50 Institutionen einbezogen werden, könnte eine gute Grundlage darstellen, um passende Strukturen und Voraussetzungen zu schaffen.
Außerdem besteht die Notwendigkeit, den weltweiten Einfluss der Tabakindustrie auf Parlamente und Regierungen zu verringern.
AUTORIN
1Österreichische ARGE Suchtvorbeugung (2022): Tabak und Nikotin. Positionspapier der österreichischen Fachstellen für Suchtprävention.
Zugriff am 25.04.2022