Denkt man an die Rauchfreiheit, denkt man vorwiegend an den Nutzen für sich selbst – allen voran an die eigene Gesundheit, gewonnene Lebensjahre oder auch finanzielle Ersparnisse. Eventuell denkt man noch an jene, die bislang Passivrauch ausgesetzt waren. Doch Rauchfreiheit bedeutet noch mehr, weit über unsere persönliche Grenze hinaus: Ein noch recht unbedachter Benefit von Rauchfreiheit ist, dass Menschenrechte und Umwelt dadurch geschützt werden können!
Dass Tabak und alle weiteren Nikotinerzeugnisse keine reinen Naturprodukte sind, ist den meisten mittlerweile bekannt. Zigaretten, Zigarren und Tabak zum Lutschen oder Kauen, aber auch verwandte Erzeugnisse wie E‑Zigaretten, werden derart chemisch verändert und mit Zusatzstoffen versetzt, dass diese Erzeugnisse ganz weit weg von Natur sind. Mindestens so weit weg wie jene Länder, in denen die Tabakpflanze angebaut wird. Dort herrschen wiederum andere Regeln und Gesetze.
Die Situation in den Anbaugebieten von Tabak
Die Tabakproduktion findet statt in Ländern wie Malawi, Brasilien, Bangladesch, Vietnam, Tansania – exotisch und weit weg von uns Europäer*innen. Diese Länder sind nicht nur aufgrund ihrer geographischen Lage für den Anbau gewählt worden. Es handelt sich vorwiegend um Niedrig- oder Mittellohnländer. An die 17 Millionen Menschen arbeiten im Tabakanbau unter niedrigen Arbeitsstandards. Nachdem der Lebensunterhalt für Farmer*innen oft kaum bestreitbar ist, muss meist die gesamte Familie mithelfen (Eichborn et al., 2018); so auch Kinder, die in Folge nicht mehr zur Schule gehen können (Eichborn et al., 2019). Da die Tabakpflanze in Monokultur angebaut wird, werden viele Pestizide und Chemikalien gegen diverse Schädlinge und Pilzbefall eingesetzt. Dagegen werden Mittel verwendet, die in Europa schon seit vielen Jahren aus gutem Grund verboten sind, da sie besonders schädlich für Mensch und Umwelt sind. Schutzkleidung ist jedoch Mangelware, Vergiftungen keine Seltenheit. Durch den direkten Kontakt mit der Tabakpflanze kommt es außerdem zu einer Vergiftungserscheinung bei den Tabakarbeiter*innen, nämlich der „Grünen Tabakkrankheit“, die durch das in der Pflanze enthaltene Nervengift Nikotin entsteht und Symptome wie Übelkeit, Erbrechen, Kopfschmerzen und Schwindel hervorruft (Eichborn, 2020).
Der Beitrag der Tabakindustrie zu Umweltverschmutzung und Klimakrise
Nicht nur das Konsumieren eines Nikotinprodukts ist durch den entstehenden Rauch oder Abfallprodukte problematisch für die Umwelt; auch bereits die Produktion von Tabak benötigt einerseits enorm viel Wasser, andererseits werden Böden stark ausgelaugt. Erosionen entstehen, die alternatives Bepflanzen unmöglich machen (Collins & Stigler, 2014).
Außerdem leistet das Trocknen der Pflanze über Feuer einen zusätzlichen Beitrag zur Umweltverschmutzung und zur Klimakrise. Das Holz dafür wiederum stammt aus den Regenwäldern, die zu diesem Zweck gerodet werden. Hinzu kommt der Ausstoß von CO2 durch den Transport mit Schiff und LKW (Eichborn, 2018). Tatsache ist auch, dass selbst für die Herstellung von tabakfreien Produkten Tabak benötigt wird. So wird beispielsweise das Nikotin durch Extraktion aus Tabakblättern gewonnen (Bundesinstitut Für Risikobewertung, 2022; Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks (SCHEER), 2021).
Weltweite Initiativen: Oregano statt Tabak!
In der Framework Convention on Tobacco Control (FCTC) haben sich Vertragsstaaten auf die Umsetzung von Maßnahmen zur Tabakkontrolle geeinigt, darunter auf den Schutz von menschlicher Gesundheit und Umwelt. Auch sollen verpflichtende alternative Einkommensmöglichkeiten für Tabakfarmer*innen geschaffen werden (WHO Framework Convention on Tobacco Control & World Health Organization, 2003).
Etliche dieser Initiativen in diversen Ländern haben bereits gestartet. Alternativen sind beispielsweise der Anbau von Oregano. Das beliebte Pizza-Gewürz benötigt nur geringe Vorleistung beim Anbau, weniger Wasser, weniger Arbeit und der Gewinn ist sogar höher als bei Tabak. Im Libanon, wo immerhin 60% der Bevölkerung in der Tabakproduktion tätig sind, sind solche Alternativen besonders relevant (Rohland, 2012).
Mischkultur statt Monokultur
Durch den Anbau von Bananen konnten in Uganda die Einnahmen der Farmer*innen gesteigert werden und Kinder wieder zur Schule gehen. Anbau von Reis, Hülsenfrüchten und Bambus oder Viehzucht, sind nur einige Alternativen zum Tabakanbau, die positive Effekte auf die Bodenfruchtbarkeit erzielen.
Sojabohnen und Co. steigern nicht nur die Fruchtbarkeit des Bodens, sie benötigen außerdem weniger anorganischen Dünger und sie lassen sich zudem ideal mit Mais als Mischkultur anbauen. In Malawi konnte damit auch der Entwaldung entgegengewirkt werden (Makoka, 2017).
Diverse Umsetzungen weltweit sind bei der deutschen Organisation Unfairtobacco zusammengefasst.
Weltnichtraucher*innentag 2023: Jene sprechen lassen, die es betrifft
Hören Sie sich an, was ehemalige Tabakfarmer*innen von ihren Erlebnissen in der Tabakproduktion berichten unter https://www.who.int/campaigns/world-no-tobacco-day/2023! Die Website der WHO zum heurigen Motto des Weltnichtraucher*innentages „wir brauchen mehr Nahrung, keinen Tabak“, gibt zusätzliche Einblicke und Gründe, warum es wichtiger wäre, Nahrung anstelle von Tabak zu pflanzen.
Nichtrauchen ist zwar weiterhin die Entscheidung jeder*s Einzelnen, der Gewinn für Mensch und Umwelt ist jedoch enorm – außer für die Tabakindustrie.
Wofür entscheiden Sie sich?
AUTORIN
Quellen:
Bundesinstitut Für Risikobewertung. (2022). Gesundheitliche Bewertung von Nikotinbeuteln (Nikotinpouches): Aktualisierte Stellungnahme Nr. 023/2022 des BfR vom 7. Oktober 2022. BfR-Stellungnahmen, 2022, Nr. 023. https://doi.org/10.17590/20211221–131258
Collins S, C. C., & Stigler P, C. S. (2014). Extended Producer Responsibility and Product Stewardship for Tobacco Product Waste. International Journal of Waste Resources, 04(03). Zugriff am 17.05.2023: https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pmc/articles/PMC4597783/
Eichborn, S., Mangora, M. M., Akhter, F.& Knotz, S. (2018). Ruinierte Natur.
Eichborn, S. et al. (2019). Kinderrechte und Tabakkontrolle. Das Recht auf eine tabakfreie Welt. Berliner Landesarbeitsgemeinschaft Umwelt und Entwicklung (BLUE 21) e. V., Berlin.
Eichborn, S. (2020): Kinderarbeit im Tabakanbau. unfairtobacco.
Zugriff am 03.05.2023: https://unfairtobacco.org/kinderarbeit-im-tabakanbau/
Makoka, D. (2017). Alternativen zum Tabakanbau unter der Lupe. Hülsenfrüchte und Sonnenblumen in
Malawi. unfairtobacco.
Zugriff am 05.05.23: https://unfairtobacco.org/wp-content/uploads/2018/09/Huelsenfruechte-und-Sonnenblumen-in-Malawi_a4.pdf
Rohland, Hans von (2012). The bitter tobacco plant gives way to the freshness of oregano. World of Work.
The Magazine of the ILO, Giving Youth a Better Start, (74), 33–34.
Zugriff am 05.05.2023: https://www.ilo.org/wcmsp5/groups/public/—dgreports/—dcomm/documents/publication/wcms_182788.pdf
SCHEER (Scientific Committee on Health, Environmental and Emerging Risks). (2021). Scientific Opinion on electronic cigarettes, 16 April 2021.
Zugriff am 05.05.2023: https://health.ec.europa.eu/publications/electronic-cigarettes_en
WHO Framework Convention on Tobacco Control & World Health Organization. (2003). WHO Framework Convention on Tobacco Control. Convention-Cadre de l’ OMS Pour La Lutte Antitabac, 36.