Geschlecht ist das, was mir von der Natur mitgegeben wurde. Wir haben genauer hingesehen und schnell erkannt: So simpel ist es bei Weitem nicht! Um geschlechtliche Vielfalt begreifen zu können, ist es zunächst nötig, die verschiedenen Ebenen von Geschlecht zu klären und einige Begriffe zu erläutern. Hier ein kleiner Überblick:
Das körperliche oder biologische Geschlecht: Sie meinen, hier ist noch alles klar und leicht verständlich? Nicht ganz. Das körperliche Geschlecht setzt sich aus verschiedenen sichtbaren und auch mit dem freien Auge nicht sichtbaren Aspekten zusammen: äußere und innere Geschlechtsorgane, Keimdrüsen, Hormone, Chromosomen, Bartwuchs oder Brüste. Es gibt Menschen – wir sprechen hier von intersexuellen Menschen – welche Geschlechtsmerkmale von Mann und Frau gleichzeitig aufweisen. Der Begriff inter kommt aus dem Lateinischen und bedeutet zwischen. Intersexuell heißt also so etwas wie: zwischen den Geschlechtern sein. Manchmal wissen die betroffenen Personen gar nicht, dass sie intersexuell sind, da die entscheidenden Merkmale nicht direkt sichtbar sind, wie Chromosomen, Hormone oder auch die inneren Geschlechtsorgane. Diese Fälle kommen nicht so selten vor wie oft angenommen wird, sondern können in der Häufigkeit etwa mit dem Vorkommen von roten Haaren verglichen werden. Und Sie alle kennen ja wahrscheinlich Leute mit roten Haaren!
Das zugewiesene Geschlecht bezeichnet jenes Geschlecht, welches die*der Ärzt*in oder die Hebamme bei der Geburt feststellt. In weiterer Folge stellt es auch das amtliche und offizielle Geschlecht einer Person dar (sprich: das Geschlecht, welches dann im Pass vermerkt ist). Dies passiert im Normalfall eben nur über die Beurteilung von dem, was sichtbar ist, sprich: ist ein Penis oder eine Vagina da? Die oben angesprochenen, nicht direkt sichtbaren Aspekte werden hier in den meisten Fällen nicht berücksichtigt.
Noch interessanter wird es, wenn man genau betrachtet, wie sich ein Mensch fühlt. Fühle ich mich selbst als Frau? Als Mann? Oder fühle ich mich keiner dieser Definitionen zugehörig? Dieses Gefühl nennt man die Geschlechtsidentität. Diese ist unabhängig vom körperlichen Geschlecht. Ein Großteil der Menschen fühlen sich sehr wohl mit dem Geschlecht, das ihnen bei der Geburt zugewiesen wurde und werden auch Cis-Menschen genannt. Das lateinische cis kann mit diesseits übersetzt werden. Es gibt aber auch Menschen, die ganz klar spüren, dass ihre Geschlechtsidentität nicht mit dem ihnen zugewiesenen Geschlecht übereinstimmt. Ein Beispiel kann sein, dass ein Baby als Mädchen auf die Welt kommt – aber eindeutig spürt, dass es eigentlich ein Bub ist. Diese Menschen werden Trans* Menschen genannt. Der Begriff trans bedeutet so viel wie jenseits, über, über-hinaus.
Wie man sich nun selbst bezeichnet, also als Mann, Frau, trans* oder ganz anders, das nennt man die Geschlechts-Selbstbeschreibung. Bei Cis-Menschen ist dies Mann oder Frau. Es gibt trans* Personen, welche sich ebenfalls als Frau oder Mann beschreiben, andere bevorzugen für sich selbst die Bezeichnung Transmann oder Transfrau. Es gibt auch Menschen, die sich keinem der beiden Geschlechter zuordnen möchten. Wir sprechen hier von non-binären Personen, bei welchen die Selbstbeschreibungen sehr variabel ausfallen können. Auch hier ist die Herleitung des Begriffes interessant: Binär bedeutet auch zweigeteilt. Non-binär (oder nicht-binär) wäre dann etwas, was eben nicht zweigeteilt ist. Ein non-binäres Geschlecht ist also eines, welches sich dieser Zweiteilung zwischen Mann und Frau entzieht. Der Begriff der Selbstbeschreibung ist deshalb wichtig, weil er sich von der Geschlechtsidentität unterscheiden kann. Man kann sich z.B. nach Außen als Mann geben, obwohl man selbst weiß, man fühlt sich eigentlich als Frau und umgekehrt. Oder, man hat für sich beschlossen, dass Geschlecht in diesem Sinne gar nicht wirklich „real“ ist.
Sie merken – ein spannendes Thema! Manchmal erscheint es kompliziert, sich mit den vielen Begrifflichkeiten auseinander zu setzen. Es kommen immer wieder neue hinzu, und unsere Sprache wird vielfältiger – ebenso vielfältig, wie auch wir Menschen sind.