Ein Leben lang begleitet uns Sexualität als Teil des Menschseins, ob nun in der Kindheit, als Jugendliche oder im Erwachsenenalter; aber sie verändert sich, und je nach Lebensphase und ‑entwicklung stehen andere Lernschritte, Erfahrungen und Fragestellungen im Vordergrund.
In der Sexualpädagogik geht es darum, genau auf diese aktuelle Lebensrealität einzugehen und dort zu begleiten und zu unterstützen, wo momentan ein Bedürfnis besteht. Bei Workshops mit Jugendlichen lernen also nicht nur die Schüler*innen, sondern auch wir als Pädagog*innen bekommen aktuell spannende Themen und Trends, individuelle Unterschiede und auch jede Menge Mythen rund um die Sexualität mit.
Sexualisierte Sprache – Wie kann im Schulkontext damit umgegangen werden?
Während es im ersten Teil unserer Reihe um unter Jugendlichen kursierende sexuelle Mythen ging und im zweiten Teil das Thema „Erstes Mal“ ausführlicher beleuchtet wurde, richtet sich der dritte Blog-Beitrag vor allem an Pädagog*innen und Lehrkräfte, die mit Jugendlichen arbeiten.
In der Schule spielen Sexualität und das Sprechen darüber in verschiedenen Bereichen eine Rolle: sei es Körperwissen im Biologieunterricht, Inhalte in der Literatur oder reproduktive Rechte in der sozialen und politischen Bildung. Abgesehen von Unterrichtsinhalten ist aber auch klar, dass das Thema im persönlichen und zwischenmenschlichen Bereich bei den Jugendlichen dazugehört: Es ist spannend, aufregend und bietet viel Zündstoff.
Das ist ganz normal und kann sich auf vielfältige Arten ausdrücken: als permanentes Thema zwischen den Jugendlichen, einer Mischung aus gesteigertem Interesse und Unsicherheit in Form von Lachen und „blöden Sprüchen“, wenn das Thema aufkommt, und auch in Schimpfwörtern als Teil von „sexualisierter Sprache“.
Auch hier ist erstmal wichtig: Die Benutzung von Schimpfwörtern, ob nun sexuell konnotiert oder nicht, ist eine – wenn auch nicht in jedem Kontext passende und angemessene – ziemlich normale Verhaltensstrategie. Sie kann viele Gründe haben. Menschen lernen schnell, welches Wort welchen Effekt hervorruft. Und Schimpfwörter haben – je ärger desto mehr – in jedem Fall eine explosive Einschlagkraft. Aufmerksamkeit ist also gewiss, sei es durch negative Reaktionen von Erwachsenen, das Zujubeln von der bzw. Verstärken der eigenen Peergroup oder durch die Betroffenheit der adressierten Person.
Da Sexualität ohnehin ein oftmals „explosives“ Thema und mit vielen Tabus belegt ist, eignet sie sich natürlich besonders gut dafür, Sprache und Schimpfwörter zu verschärfen. Wer sich über die „Verrohung der Sprache“ bei den jungen Leuten aufregt, sollte einmal genauer hinschauen in welcher Welt wir leben: Sexualisierung findet auf vielen Ebenen statt und ist nicht von Jugendlichen erfunden worden. Allerdings könnte man den Blick gemeinsam – auch im Unterricht – auf das Identifizieren und Besprechen genau dieser Verhältnisse lenken.
Denn sicher ist: Ein Thema auszuklammern oder zu verbieten hat meist wenig Effekt. Es hingegen einzubetten und besprechbar zu machen, eröffnet mehr Möglichkeiten. Dabei ist klar, dass im Schulkontext Regeln zum guten Zusammenleben gelten, und eine respektvolle Sprache zu verwenden, eingefordert werden darf. Hier ist zu unterscheiden: Geht es um das Gesagte zwischen Schüler*in und Lehrer*in oder um die Sprache der Jugendlichen untereinander?
Kommt es immer wieder zu „Vorfällen“, kann es lohnen, sich das Gesamtkonzept an der Schule in Bezug auf den Umgang miteinander und dem Thema Sexualität anzuschauen und es zu erweitern. Das kann bedeuteten: Räume schaffen und das Thema „hineinholen“ – z.B. durch Poster, Flyer von Anlaufstellen, sexualpädagogische Angebote, eine anonyme Fragebox zum Thema (+kompetente Beantwortung) etc. Es kann hilfreich sein, auch im Unterricht zum Thema Sexismus in verschiedenen Bereichen des Lebens (z.B. Medien, Werbung, Familie, Beruf) zu arbeiten und die Jugendlichen in die gemeinsame Regelsetzung (Klassenregeln, Schulregeln) miteinzubeziehen. Auch eine Supervision oder Beratung durch Fachkräfte aus dem Bereich Gewaltfreie Kommunikation und Sexualpädagogik kann wertvolle Anstöße und Ideen liefern und orientiert sich dabei genau am Anliegen der Schule. Wie so oft gilt: Nur im gemeinsamen Austausch lässt sich ein Konzept erarbeiten, und es sind die kleinen Schritte und Erfolge die zählen und über die man sich freuen darf.
Dieser Beitrag ist Teil einer Artikelreihe.