Ein Leben lang begleitet uns Sexualität als Teil des Menschseins, ob nun in der Kindheit, als Jugendliche oder im Erwachsenenalter; aber sie verändert sich. Und je nach Lebensphase und ‑entwicklung stehen andere Lernschritte, Erfahrungen und Fragestellungen im Vordergrund.
In der Sexualpädagogik geht es darum, genau auf diese aktuelle Lebensrealität einzugehen und dort zu begleiten und zu unterstützen, wo momentan ein Bedürfnis besteht. Bei Workshops mit Jugendlichen lernen also nicht nur die Schüler*innen, sondern auch wir als Pädagog*innen bekommen aktuell spannende Themen und Trends, individuelle Unterschiede und auch jede Menge Mythen rund um die Sexualität mit.
„Viele erste Male“ – Sexualität ab der Pubertät
Im ersten Teil unserer Serie ging es um Mythen rund um die Sexualität. Jetzt soll es um einen Themenbereich gehen, der so gut wie immer zur Sprache kommt, wenn wir mit Jugendlichen arbeiten und ebenfalls viele Vorstellungen in positive und negative Richtungen in sich trägt: das sagenumwobene „erste Mal“.
Aber wovon reden wir hier überhaupt? Viele Menschen verbinden nur eines damit: den ersten heterosexuellen Geschlechtsverkehr. Das ist eine Möglichkeit. Es ist aber auch spannend und hilfreich, den eigenen Sex-Horizont etwas zu erweitern. Denn das erste Mal „Sex“ kann zwischen Menschen jeglichen Geschlechts passieren und muss nicht zwangsläufig bedeuten, dass ein Penis von einer Vagina aufgenommen wird.
Außerdem gibt es genaugenommen sehr viele „erste Male“: das erste Mal Händchen halten, zum ersten Mal jemanden küssen, sich zum ersten Mal streicheln und so weiter und so fort… Viele Wege führen zum Sex. Und ein besonderer Blick (mit dem passenden Kribbeln im ganzen Körper kann ein genauso aufregenderer erster Schritt sein wie Geschlechtsverkehr. Es wird deutlich: Die Angst vor oder Lust auf das erste Mal Geschlechtsverkehr lässt sich nicht ganz losgelöst von vielen anderen zwischenmenschlichen Interaktionen betrachten und darf in sie eingebettet verstanden werden. Womit wir gleich zur nächsten, für viele Jugendlichen wichtigen Frage kommen: „Wie merke ich, dass ich bereit dafür bin?“
„Ich bin bereit“, steht einem in den wenigsten Fällen auf der Stirn geschrieben, noch wacht man eines Tages auf und weiß, dass man ab jetzt bereit sein wird für Sex. „Bereit“ sein kann man auch mit „Lust auf“ übersetzen. Und wie bei anderen Dingen auch ist Lust nichts Fixes, sondern kommt und geht. In luststeigernden Situationen kann sie ganz groß werden, und manchmal kann sie einfach wieder verschwinden, auch wenn äußerlich alles passt. Wo Lust spürbar ist, wird am besten auch mit den Jugendlichen besprochen, damit klar wird: Ich darf meinem eigenen „Lusthaushalt“ vertrauen, und nur ich selbst und mein Körper sagen mir und zeigen mir an, wozu ich im jeweiligen Moment „bereit bin“. Und das ist nichts, worauf man sich vorbereiten kann, außer damit, die eigene Spür- und Körperwahrnehmung zu schärfen. Um ein bisschen Aufregung vor allen neuen Dingen kommt man dabei nicht herum. Spürt man aber wirklich Angst oder keinerlei Anzeichen von Lust und Erregung im Körper, ist das immer ein deutliches Signal aufzuhören, einen Schritt zurückzugehen oder eine Pause einzulegen.
Hier können Sie den ersten Teil der Reihe “Sexualität ab der Pubertät” nachlesen.