Sie sind Direktor*in und Ihnen wurde ein begründeter Verdacht auf Suchtmittelkonsum durch Schüler*innen weitergeleitet? Dazu gibt es eine spezifische rechtliche Vorgangsweise. Wir beraten und unterstützen Sie dabei!
Schritt 1: Innehalten, durchatmen und Informationen einholen
Der erste Schritt sollte bereits von Ihren Kolleg*innen erledigt worden sein. In unserem Blogartikel für Pädagog*innen zum Thema „Helfen statt Strafen“ erklären wir diesen Punkt genauer. Sie finden den Blogbeitrag hier.
Auf jeden Fall sollten Sie an dieser Stelle alle grundlegenden Informationen zum Vorfall sammeln. Eine Reaktion sollte zwar möglichst schnell passieren, aber nicht voreilig. Nehmen Sie sich daher Zeit zur Vorbereitung Ihrer Schritte. Im Handlungsleitfaden des Bundesministeriums können Sie die richtige Vorgehensweise nachlesen und Sie können sich bei ungeklärten Fragen Rat und Hilfe über die Bildungsdirektion holen. Auch wir von der Fachstelle NÖ stehen Ihnen gerne zur Seite, rufen Sie uns an: 02742 331 440!
Schritt 2: HELFEN statt Strafen!
Hier beginnt nun der voraussichtlich wichtigste Teil für Sie. Laut Gesetz (§13 Suchtmittelgesetz) ist die Direktion einer Schule verpflichtet, betroffenen Schüler*innen Unterstützung zu geben. Das bedeutet in Verdachtsmomenten auf keinen Fall die Polizei zu rufen. Da die Polizei den Auftrag hat, Verdachtsmomente aufzunehmen und ihnen strafrechtlich nachzugehen, widerspricht das dem Ansatz „helfen statt zu strafen“. Werden derartige Informationen behördlich weitergegeben, können Sie sich disziplinarrechtlich belangbar machen. Sie helfen Ihren Schüler*innen und sind auch rechtlich auf der sicheren Seite, indem Sie die Polizei nicht informieren.
AUSNAHME: Wird an Ihrer Schule in „größerem“ Ausmaß gedealt und jemand bereichert sich wirtschaftlich, ohne selbst zu konsumieren, ist die Polizei allenfalls zu involvieren. Das bedeutet im Umkehrschluss jedoch auch, wenn einzelne Schüler*innen Suchtmittel selbst konsumieren und teils auch weitergeben, wird wieder das Prozedere des §13 SMG schlagend.
HINWEIS: Prophylaktische Drogentests oder Harntests für alle oder auch nur einen ausgewählten Kreis an Schüler*innen sind nicht zulässig!
Schritt 3: Dokumentieren
Sie als Schulleitung dokumentieren alle Informationen und Schriften zu dem Vorfall. Sie sollten hier zu einer Informationszentrale in der Schule werden.
Klären Sie mit der*dem Pädagog*in ab, die* der Ihnen den konkreten Verdacht meldet:
- Was ist im Vorfeld passiert?
- Sind alle Verdachtsmomente dokumentiert und sind diese begründet (siehe „Begründeter Verdacht“)?
- Wer/ Wie viele Schüler*innen sind involviert?
Gerade bei so heiklen Fällen sollten Sie sich an Ihre Pflicht der Amtsverschwiegenheit halten. Das bedeutet, dass Vorfälle nicht mit dem gesamten Kollegium besprochen werden dürfen, sondern nur mit dem Fall vertrauten Pädagog*innen.
Schritt 4: Koordinieren – wer wird in den Fall eingebunden?
Ist der Verdacht „begründet“, muss der §13 des Suchtmittelgesetzes offiziell eingeleitet werden. Auch wenn es zu keiner Bestätigung des Verdachts kommt, muss dies im Rahmen des Paragrafen festgehalten und dokumentiert werden. Das Prozedere kann bei Bedarf auch mehrmals durchgeführt werden.
Gespräch mit betroffener*m Schüler*in und Eltern
Klären Sie betroffene Schüler*innen über Ihren Verdacht auf und informieren Sie sie, welche unterstützenden Schritte Sie nun setzen. Die Eltern beziehungsweise Erziehungsberechtigten der*des betroffenen Schüler*in sollen dabei miteinbezogen werden.
Weiterleitung an schulärztliche Untersuchung
Um das Ausmaß des Konsums und in Folge die passende Hilfeleistung einzuschätzen, muss ein Gespräch zwischen Schulärzt*in und Schüler*in stattfinden. Auch die*der Schulpsycholog*in kann unterstützend hinzugezogen werden.
Auch an dieser Stelle ist festzuhalten, dass ein Harntest keine Auskunft darüber gibt, welche Art der Behandlung zielführend ist. Dementsprechend raten wir von einer Anwendung ab.
Nach diesem Gespräch teilt die*der Schulärzt*in der Direktion das Resultat über die Maßnahme zur Behandlung mit. Die Inhalte des Gesprächs bleiben dabei vertraulich. Je nach Konsumart wird eine notwendig sein, die verpflichtend durchgeführt werden muss. Sie als Schulleitung dokumentieren das Ergebnis sowie kontrollieren die Absolvierung der Maßnahme mittels Bestätigung der entsprechenden Einrichtung. Auch hier sind Inhalte für die Falldokumentation irrelevant, es reicht eine Besuchsbestätigung.
Tipp: Geben Sie dem*der Schüler*in ein Schreiben über die empfohlene Maßnahme mit, welche bei der entsprechenden Institution vorgelegt werden kann. Für die Dokumentation der einzelnen Termine empfehlen wir die Verwendung einer Ambulanzkarte (z.B.: im Handlungsleitfaden zur Umsetzung des §13 Suchtmittelgesetz an der Schule, S.28, oder zum Download hier.
Die*der Schulärztin*Schularzt kann natürlich auch zum Ergebnis kommen, dass es keine gesundheitliche Maßnahme benötigt. An dieser Stelle wird das Prozedere beendet und abschließend dokumentiert.
Im Falle einer Verweigerung oder fehlender Einhaltung der Maßnahme
Wird an irgendeiner Stelle von betroffenen Schüler*innen der geforderte Schritt verweigert oder die verpflichtende gesundheitsbezogene Maßnahme nicht eingehalten, wird statt einer Strafanzeige die Bezirksverwaltungsbehörde als Gesundheitsbehörde (Magistrat oder Bezirkshauptmannschaft) verständigt. Auch dies ist von der Schulleitung verpflichtend zu dokumentieren.
Verschwiegenheit auf allen Ebenen!
Bei jedem einzelnen Schritt gilt grundsätzliche Verschwiegenheitspflicht auf allen Ebenen, bloß Betroffene des Falls sind zu informieren. Strafen wie „Schule putzen“ oder „nicht auf Schulsportwoche mitkommen dürfen“ sind stark stigmatisierend und wir raten unbedingt davon ab!