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Sie haben eine*n Schüler*in beim Kon­sum von ille­ga­len Sucht­mit­teln erwischt. Als Auf­sichts­per­son machen Sie sich gerecht­fer­tigt Gedan­ken und über­le­gen die Poli­zei zu rufen. Genau hier möch­ten wir Sie bit­ten kurz inne­zu­hal­ten und sich von uns die kon­kre­te recht­li­che Vor­gangs­wei­se nach §13 des SMG’s (Sucht­mit­tel­ge­setz) auf­zei­gen zu las­sen – die übri­gens damit beginnt, nicht sofort die Poli­zei zu rufen.

Sieht man sich im Schul­all­tag einer Situa­ti­on gegen­über, in der ille­ga­le Sub­stan­zen invol­viert sind, kann sich das durch­aus über­for­dernd anfüh­len. In die­ser Situa­ti­on gilt: So schnell wie mög­lich, aber so lang­sam wie not­wen­dig reagieren. 

Schritt 1: Inne­hal­ten, Durch­at­men und Infor­ma­tio­nen einholen

Ja, die­sen Schritt mei­nen wir genau so, wie er hier steht. Neh­men Sie sich zunächst die Zeit kurz inne­zu­hal­ten und durch­zu­at­men. Soll­ten Ihnen an die­ser Stel­le noch grund­le­gen­de Infor­ma­tio­nen feh­len, suchen Sie sich die­se zusam­men. (z.B.: Lesen Sie die­sen Blog-Bei­trag oder rufen Sie bei uns an: 02742 331 440) 

Sind Sie (halb­wegs) ent­spannt? Gut, wid­men wir uns dem nächs­ten Schritt!

 

Schritt 2: Tat­sa­chen und Ver­mu­tun­gen – Was ist ein begrün­de­ter Verdacht?

Bei der seriö­sen Ein­schät­zung von Ver­dachts­mo­men­ten kommt Ihnen als Lehr­per­son eine zen­tra­le Rol­le zu. Sie sam­meln kon­kre­te Anhalts­punk­te und Fak­ten und schät­zen die Situa­ti­on ohne Ver­harm­lo­sung und Über­be­wer­tung ein:

Ver­mei­den Sie Inter­pre­ta­tio­nen wie „Anna ist beein­träch­tig und hat Can­na­bis geraucht.“, son­dern fra­gen Sie sich, was Sie genau beobachten/wahrnehmen konn­ten: „Anna hat­te gerö­te­te Augen und in der Stun­de fie­len ihr mehr­mals die Augen zu. Es fiel auf, dass Sie sich wesent­lich lang­sa­mer als sonst beweg­te und ihre Spra­che war ver­wa­schen. Im Gespräch mit der Schü­le­rin fiel zusätz­lich ein star­ker Can­na­bis­ge­ruch auf.“

Nicht nur ver­än­der­tes Ver­hal­ten, son­dern auch beob­ach­te­te Gegen­stän­de kön­nen ein Hin­weis auf den Kon­sum sein: „Mario packt in der Pau­se einen Plas­tik­ge­gen­stand aus, zeigt die­sen in der Klas­se her­um und erklärt, wie man mit dem „Grin­der“ „Kraut“ klein macht.“ (Nicht: „Mario zeigt Dro­ge­nuten­si­li­en herum.“)

Nicht zuletzt ist es auch mög­lich, dass ein*e Schüler*in direkt beim Kon­sum beob­ach­tet wird: „René kon­su­miert auf der Toi­let­te eine Tablet­te. Dar­auf ange­spro­chen stellt sich her­aus, dass es sich dabei um ein Pra­xi­ten han­delt, das er von einem Freund bekom­men hat.“ (Nicht: „René nimmt am Klo Drogen.“)

Ver­än­der­tes Ver­hal­ten, das auch ent­wick­lungs­be­ding­te Ursa­chen haben kann oder einen Hin­weis auf ande­re Pro­ble­me liefert:

  • Leis­tungs­ab­fall
  • Häu­fi­ge Fehlstunden
  • Ver­än­de­run­gen im Ver­hal­ten und in der Persönlichkeit
  • Ver­nach­läs­si­gung des Äußeren
  • Zuneh­mend zwi­schen­mensch­li­che Probleme

Ach­tung! Beob­ach­tun­gen / Erzäh­lun­gen von ande­ren Per­so­nen, Gerüch­te („Der Nach­bar einer Freun­din hat gese­hen…“ oder Ver­mu­tun­gen („… hat immer einen Pul­li mit Hanf­blatt an…“) sind nicht aus­rei­chend für einen begrün­de­ten Ver­dacht (son­dern Hörensagen).

Soll­ten Sie sich bei der beob­ach­te­ten Situa­ti­on unsi­cher sein, doku­men­tie­ren Sie jeden­falls die wahr­ge­nom­me­nen Inhal­te (Datum, Uhr­zeit, Was beob­ach­te ich auf der Körperebene/Verhaltensebene/Beziehungsebene, …) und fra­gen Sie bei Fach­stel­le NÖ nach (02742 331 440).

Schritt 3: Ver­ant­wor­tung der Lehr­per­son – Was muss ich tun?

Sie als ver­ant­wort­li­che Lehr­per­son haben alle Anhalts­punk­te und Fak­ten gesam­melt und sind zu einer von zwei Ein­schät­zun­gen gekom­men: „Es han­delt sich um rei­ne Ver­mu­tun­gen / unbe­stä­tig­te Ver­däch­ti­gun­gen“ oder „Es han­delt sich um einen kon­kre­ten Anlassfall“.

Mög­lich­keit „Unbe­stä­tig­te Verdächtigung“:

Ist das Ver­dachts­mo­ment nicht ein­deu­tig, gilt es die Situa­ti­on wei­ter zu beob­ach­ten und zu doku­men­tie­ren. Reflek­tie­ren Sie eige­ne Beob­ach­tun­gen und tau­schen Sie sich gege­be­nen­falls mit Kolleg*innen bzw. Fach­per­so­nen (Fach­stel­le NÖ, Schul­psy­cho­lo­gie, Schulärzt*in) aus.

Ach­tung! Beim Aus­tausch mit Kolleg*innen ist Fin­ger­spit­zen­ge­fühl gefragt. Spre­chen Sie über beob­acht­ba­res Ver­hal­ten, über einen mög­li­chen Kon­sum. Eine Dis­kus­si­on des Falls bei einer Lehrer*innen-Konferenz ist nicht zuläs­sig. Soll­te es Unklar­hei­ten geben, kön­nen Sie bei der Fach­stel­le NÖ anru­fen (02742 331 440) und mit der Schul­lei­tung Rück­spra­che halten.

Mög­lich­keit „Begrün­de­ter Verdacht“:

Kom­men Sie zu dem Schluss, dass es sich bei dem Ver­dachts­mo­ment um einen begrün­de­ten Ver­dacht han­delt, haben Sie eine Mit­tei­lungs­pflicht an die Schul­lei­tung. Wer­den Sub­stan­zen ent­deckt, dür­fen die­se nicht ver­nich­tet wer­den, son­dern müs­sen ein­ge­schrie­ben an die Bun­des­an­stalt für che­mi­sche und phar­ma­zeu­ti­sche Unter­su­chun­gen geschickt werden.

Sobald Sie die Direk­ti­on infor­miert haben, ist Ihre Ver­ant­wor­tung den §13 SMG betref­fend zu Ende. Alle wei­te­ren Hand­lungs­schrit­te müs­sen durch die Schul­lei­tung gesetzt werden.

Ach­tung! Es gilt die Amts­ver­schwie­gen­heit: Das bedeu­tet, dass Sie kei­ne Mel­dung oder Anzei­ge an die Poli­zei oder ande­re Behör­den machen dür­fen. Auch die Dis­kus­si­on des Falls bei einer Lehrer*innen-Konferenz ist nicht zuläs­sig. Ein Bruch der Amts­ver­schwie­gen­heit kann dis­zi­pli­nar­recht­lich belangt werden.

Schritt 4: Ver­ant­wor­tung der Schul­lei­tung – Wo hört mei­ne Ver­ant­wor­tung auf?

Sobald Sie als Lehr­per­son fest­stel­len, dass es sich bei dem beob­ach­te­ten Ver­dachts­mo­ment um einen begrün­de­ten Ver­dacht han­delt und davon aus­zu­ge­hen ist, dass ein*e Schüler*in ille­ga­le Sub­stan­zen kon­su­miert, müs­sen Sie also die Schul­lei­tung informieren.

Sobald Sie als Lehr­per­son Ihre Schul­lei­tung über den begrün­de­ten Ver­dacht infor­miert haben, hört Ihre Ver­ant­wor­tung in die­sem Fall auf. Alle wei­te­ren Schrit­te müs­sen von der Schul­lei­tung umge­setzt wer­den. Eine „Über­tra­gung“ der Auf­ga­ben an eine Lehr­per­son, die Schul­so­zi­al­ar­beit o. ä. ist nicht zulässig.

Bei kon­kre­ten Anhalts­punk­ten bzw. ver­här­te­tem Ver­dacht des Sub­stanz­kon­sums ist die Schul­lei­tung ver­pflich­tet den §13 SMG ein­zu­lei­ten und eine schul­ärzt­li­che Unter­su­chung und erfor­der­li­chen­falls eine schul­psy­cho­lo­gi­sche Kon­sul­ta­ti­on zu veranlassen.

Ach­tung! Für die Schul­lei­tung gilt, genau wie für die Lehr­per­son, die Amts­ver­schwie­gen­heit und weder Poli­zei noch ande­re Behör­den dür­fen über den Sub­stanz­kon­sum infor­miert wer­den. Ein Bruch der Amts­ver­schwie­gen­heit kann dis­zi­pli­nar­recht­lich belangt werden.

Sie als Lehr­per­son haben Ihre Schul­lei­tung infor­miert und den Fall damit abge­ge­ben. Da der Mensch von Natur aus neu­gie­rig ist, möch­ten wir Ihnen zwei wei­te­re Schrit­te vorstellen:

Schritt 5: Schul­ärzt­li­che Unter­su­chung – Was passiert?

Die schul­ärzt­li­che Unter­su­chung nach §13 SMG fin­det aus­schließ­lich im Anlass­fall und damit zusätz­lich zur „nor­ma­len“ schul­ärzt­li­chen Unter­su­chung statt. Da es sich dabei um eine medi­zi­ni­sche und psy­cho­lo­gi­sche Erst­ab­klä­rung han­delt, ist es sinn­voll auch den schul­psy­cho­lo­gi­schen Dienst hinzuzuziehen.

Um die indi­vi­du­el­le Situa­ti­on gut ein­schät­zen zu kön­nen, wer­den nicht nur der Kon­sum selbst, son­dern ergän­zend ande­re bio­psy­cho­so­zia­le Fak­to­ren mit ein­be­zo­gen. Im Grun­de wer­den fol­gen­de drei Fra­gen geklärt:

  • Wer­den tat­säch­lich ille­ga­le Sub­stan­zen konsumiert?
  • Han­delt es sich hier­bei um Expe­ri­men­tier­kon­sum, Gele­gen­heits­kon­sum, gesund­heits­schä­di­gen­den Kon­sum oder abhän­gi­gen Konsum?
  • Besteht die Not­wen­dig­keit für eine gesund­heits­be­zo­ge­ne Maß­nah­me nach §11 SMG?
  • Wenn ja, wel­che gesund­heits­be­zo­ge­ne Maß­nah­me ist notwendig?

Das heißt, der*die Schulärzt*in ent­schei­det, ob ein behand­lungs­re­le­van­ter Kon­sum statt­fin­det und ob eine wei­te­re, ver­pflich­ten­de Behand­lung not­wen­dig ist. Je nach Kon­sum­art wird eine Bera­tung, Betreu­ung oder Behand­lung not­wen­dig sein.

Im Anschluss an die Unter­su­chung teilt der*die Schulärzt*in der Schul­lei­tung die emp­foh­le­ne gesund­heits­be­zo­ge­ne Maß­nah­me (Zif­fern 1–5) mit oder erklärt, dass kei­ne Maß­nah­me not­wen­dig ist. Um wel­che Zif­fern es sich hier han­delt, kommt dann im Schritt 6.

Schritt 6: Gesund­heits­be­zo­ge­ne Maß­nah­men – Was heißt das?

Wird bei der schul­ärzt­li­chen Unter­su­chung fest­ge­stellt, dass ein behand­lungs­re­le­van­ter Kon­sum vor­liegt, emp­fiehlt der*die Schulärzt*in eine gesund­heits­be­zo­ge­ne Maß­nah­me. Die Ein­schät­zung ist dabei ganz indi­vi­du­ell unter­schied­lich und kann eine von fünf Emp­feh­lun­gen (Zif­fern 1–5) ergeben:

  1. Ärzt­li­che Über­wa­chung des Gesundheitszustands
  2. Die ärzt­li­che Behand­lung ein­schließ­lich der Ent­zugs- und Substitutionsbehandlung
  3. Die kli­nisch-psy­cho­lo­gi­sche Bera­tung und Betreuung
  4. Die Psy­cho­the­ra­pie
  5. Die psy­cho­so­zia­le Bera­tung und Betreuung

Wel­che Maß­nah­men sinn­voll und not­wen­dig sind, kann der*die Ärzt*in auch in Abspra­che mit der Schul­psy­cho­lo­gie fest­le­gen. Als Faust­re­gel kann man sagen: Bera­tung für Neu­gie­ri­ge, Betreu­ung für Gefähr­de­te und Behand­lung für Abhängige. 

Das Ergeb­nis wird anschlie­ßend doku­men­tiert und die Schul­lei­tung infor­miert. Alle wei­te­ren Schrit­te lie­gen ab hier wie­der bei der Schulleitung. 



AUTORIN
Pro­jekt­lei­tung Sucht­prävention Schwer­punkt Kin­der­gar­ten, Schu­le & Ausbildung

Emp­feh­lun­gen:

Fort­bil­dung und Coa­ching „Hel­fen statt Stra­fen“ Link: https://www.fachstelle.at/portfolio/helfen-statt-strafen/

Hand­lungs­leit­fa­den zur Umset­zung des §13 Sucht­mit­tel­ge­setz an der Schu­le Link: https://www.fachstelle.at/wp-content/uploads/2021/02/Handlungsleitfaden-Schule_Suchtmittelgesetz-Paragraf13.pdf

Hand­buch für die Voll­zie­hung des §12 Sucht­mit­tel­ge­setz Link: https://www.sozialministerium.at/Themen/Gesundheit/Drogen-und-Sucht/Suchtmittel-NPS-Drogenausgangsstoffe/Leitlinie‑f%C3%BCr-die-Gesundheitsbeh%C3%B6rden–Handbuch‑f%C3%BCr-die-Vollziehung-des-%C2%A7-12-Suchtmittelgesetz.html

Adap­tier­ba­rer Sta­tus­bo­gen für die schul­ärzt­li­che Unter­su­chung: https://www.sozialministerium.at/dam/jcr:07ab5c18-7358–4010-8920–7359b27f3a2b/Annex_1_Statusbogen.doc

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