Haltung und Handlungsschritte
Wenn Bildungseinrichtungen Sexualität zum Thema machen, setzen sie ein deutliches Zeichen, dass Kinder und Jugendliche sich mit ihren Fragen und Anliegen an erwachsene Vertrauenspersonen wenden können. Wenn es öffentlich gemachte Regeln gibt, die sich ganz deutlich gegen Grenzverletzungen und Übergriffe aussprechen, ist das eine klare Haltung einer Institution, die für alle sichtbar ist. Es zeigt sich, dass Kinder und Jugendliche, die sexuelle Gewalt erfahren haben, sich eher an Pädagog*innen wenden und somit Ansprechpersonen suchen, die sich dem Thema annehmen und damit beschäftigen.
Folgende mögliche Handlungsschritte empfehlen Expert*innen, wenn das Kind oder der/die Jugendliche von (sexueller) Gewalt berichtet bzw. wenn ein Verdacht vorliegt (Bundesministerium für Bildung, 2016; Dirks u. a., 2012; Verein Selbstlaut, 2014; Wölfl & Culen, 2014):
Ruhe bewahren & Unterstützung suchen
Tauschen Sie sich mit Ihren Kolleg*innen aus und/oder sprechen Sie mit anderen Vertrauenspersonen über Ihren Verdacht, Ihre Zweifel, Unsicherheiten und Ängste. Informieren Sie sich bzgl. der Meldepflicht. Holen Sie schließlich Unterstützung und Beratung durch Expert*innen ein: Das hilft Ihnen dabei, Ihre eigene Rolle wiederzufinden.
Dokumentieren
Notieren Sie die Aussagen des Kindes/Jugendlichen wörtlich. Beschreiben Sie dabei die Situation und den Zusammenhang, in dem die Äußerungen getätigt wurden. Dokumentieren Sie auch andere Hinweise und Beobachtungen (Auffälligkeiten, Verhaltensweisen) und welche Personen Sie wann informiert haben sowie welche Schritte Sie eingeleitet haben. Sie bleiben dabei Vertrauensperson des Kindes/Jugendlichen.
Kontakt intensivieren und Gesprächsangebote machen
Versuchen Sie eine positive Vertrauensbeziehung herzustellen und signalisieren Sie stets Gesprächsbereitschaft.
Loben, Trösten, Orientierung geben
Vermitteln Sie durch Ihre Worte und Ihr Verhalten, dass Sie auf seiner/ihrer Seite sind. Vermeiden Sie aber (aus dem Wunsch zu trösten heraus), vorschnelle und nicht einhaltbare Versprechungen zu machen (z.B. Schweigepflicht). Sprechen Sie darüber, dass Sie wissen, dass Kinder und Jugendliche missbraucht werden. Erklären Sie deutlich, dass sexuelle Übergriffe verboten und falsch sind. Die Verantwortung dabei liegt immer beim/bei der Täter*in, das Kind trifft keinerlei Mitschuld.
Schilderungen ernst nehmen
Selbst wenn sich das Kind widerspricht oder Aussagen zurücknimmt – nehmen Sie es ernst. Hören Sie aufmerksam zu, auch wenn Sie möglicherweise Zweifel haben, ob die Tat so stattgefunden hat. Es kommt öfters vor, dass Betroffene im Vorfeld testen, wie das Gegenüber auf Berichte über (sexuelle) Gewalt reagiert, bevor sie über ihre eigenen Erlebnisse berichten. Fragen Sie nicht detailliert nach dem Tathergang.
Weitere Schritte und Perspektiven
Überlegen Sie gemeinsam mit dem/der Betroffenen, welche nächsten Schritte unternommen werden sollten. Handeln Sie dabei nicht gegen den Willen des Kindes, aber machen Sie Vorschläge und geben Sie Anregungen. Die tatsächliche Aufdeckungsarbeit überlassen Sie Fachpersonen.
Vernetzen
Nehmen Sie professionelle Hilfe in Anspruch. Mit Fachleuten an Ihrer Seite können gemeinsam weitere Vorgehensweisen in Form einer Helferkonferenz geplant werden.
Keine vorschnelle Verdachtsäußerung
Eine Information der Bezugspersonen sollte sorgfältig mit Fachleuten vorbereitet sein. Gleiches gilt für eine Anzeige. Vor allem, wenn das Kind jemanden aus dem familiären Umfeld als Täter*in nennt, ist es absolut notwendig, sich fachlich begleiten zu lassen. Eine verfrühte Mitteilung den Eltern gegenüber kann ein Warnhinweis für den/die Täter*in sein, was zur Folge haben kann, dass der Kinderschutz verhindert wird.
Der vollständige Artikel ist im „Basiswissen Sexualpädagogik – Einblicke in die beruflichen Handlungsfelder der Sexualpädagogik“ (2018) nachzulesen.
AUTORIN
Bundesministerium für Bildung. (2016). Sexuelle Gewalt. Leitfaden für Pädagoginnen und Pädagogen – Rechtliche Situation.
Dirks, T., Groh-Mers, T., Hummert, M., Kruck-Homann, M., Schmidt, R.-B., Sielert, U., … Wanzeck-Sielert, C. (2012). Sexualpädagogik in beruflichen Handlungsfeldern. (R.-B. Schmidt & U. Sielert, Hrsg.) (1. Aufl.). Köln: Bildungsverlag EINS.
Verein Selbstlaut (Hrsg.). (2014). Handlung Spiel & Räume. Leitfaden für Pädagoginnen und Pädagogen zum präventiven Handeln gegen sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Abgerufen von http://selbstlaut.org/wp-content/uploads/2016/11/SL_handlung_spiel_raeume_2014.pdf
Wölfl, H., & Culen, C. (2014). Sexuelle Gewalt an Kindern und Jugendlichen. Vorbeugen – Erkennen – Helfen. (Fachstelle für Gewaltprävention, Hrsg.). Abgerufen von https://www.fachstelle.at/wp-content/uploads/woocommerce_uploads/2017/09/fgp_Folder_sexuelle_gewalt_screen2.pdf