Wir leben in einer Welt, in der schlank sein vor allem mit Schönheit und Gesundheit gleichgesetzt wird. – Und Diäten versprechen, das zu erfüllen. Doch seit weit über 50 Jahren haben es viele Abnehm-Willige mit Selbstkontrolle versucht und sind trotzdem nicht gesünder oder schlanker geworden: Bis heute gibt es keine wissenschaftlich dokumentierte Diät (Reduktions- und Schonkost), die auf lange Sicht erfolgreich ist.
Diäten sind nicht die Lösung!
Restriktive Ernährung führt zwar dazu, dass Gewicht verloren wird – aber nur für eine kurze Zeit. Eine Studie nach der anderen beweist: Diäten sind nicht nur schädlich1, sondern mittel- und langfristig auch wirkungslos. 95% der Menschen nehmen das verlorene Gewicht wieder zu und 2 von 3 Personen nehmen mehr zu als sie abgenommen haben2.
In einer systematischen Übersichtsarbeit3 untersuchten Wissenschaftler*innen 14 beliebte und bekannte Ernährungsweisen bzw. Abnehmprogramme auf Abnehmerfolg und Risikoverminderung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen. Das Ergebnis: Diäten haben weder einen Effekt auf die Herz-Kreislauf-Gesundheit noch auf lange Sicht auf den Abnehmerfolg. Eine weitere Studie, die im hochkarätigen Fachjournal „The Lancet“ publiziert wurde4, zeigt, dass komplexe physiologische Mechanismen das Körpergewicht regulieren und sich einem durch Restriktion hervorgerufenen Gewichtsverlust widersetzen.
Denn kein Körper will verhungern, und evolutionsbedingt wird er alles Mögliche tun, um das zu verhindern.
Dick und gesund?
Studien zeigen, dass erhöhtes Körpergewicht mit gesundheitlichen Risikofaktoren korreliert. Doch all diese Krankheitsrisiken lassen sich auch unabhängig vom Gewicht erklären. Zum Beispiel verstärken hohe Gewichtsschwankungen (Jo-Jo-Effekt), die gerade dicke Menschen durch Diäten sehr häufig erleben, das Risiko für eben jene Krankheiten5,6, genauso wie der Stress, welcher durch Gewichtsstigmatisierung (Zuschreibung negativer Eigenschaften aufgrund des Körperumfangs) und durch Gewichtsdiskriminierung erzeugte wird7,8. Auch die Fitness spielt eine größere Rolle bei der Gesundheit als das Körpergewicht: ein dicker, aktiver Mensch lebt länger als ein schlanker, inaktiver Mensch9,10.
Gesundheit ist also relativ unabhängig vom Körpergewicht, das von über einhundert Faktoren beeinflusst wird: Gene, Muskelmasse, Rauchen, Arbeitslosigkeit, Stoffwechsel und viele mehr11,12,13. So wäre es falsch anzunehmen, dass dünne Menschen einfach „alles richtig“ gemacht haben, während dicke Menschen faul auf der Couch liegen und Chips essen. Es gibt dicke Menschen, die aktiv sind und sich ausgewogen ernähren, und es gibt dünne Menschen, die sich kaum bewegen und nicht auf ihre Ernährung achten.
Eine reine Reduktion von Körpergewicht hilft also nicht bei der Erlangung und Erhaltung von Gesundheit.
Natürlich ist es gut und wichtig, auf sich zu achten. Das Ablehnen von Diäten bedeutet nicht, hohes Körpergewicht zu verherrlichen oder, dass alle dick werden sollen. Wichtig ist die Entwicklung von gesunden Verhaltensweisen, denn jede restriktive Ernährungsweise ist eine Kampfhandlung gegen den eigenen Körper – und damit alles andere als gesund.
Tipps, um mit dem eigenen Körper Frieden zu schließen:
- Wir glauben, was wir sehen, hören, konsumieren: krempeln Sie ihre Social Media Accounts so um, dass Sie sich mit den Inhalten identifizieren und wohl fühlen können.
- Essen Sie genug – und erlauben Sie sich, alles zu essen. Verbote lösen Verlangen aus; Erlaubnis führt zu Wahlfreiheit.
- Bewegen Sie sich in freudvoller Weise, ohne den Kalorienverbrauch in den Vordergrund zu stellen. Um herauszufinden, welche Aktivität Ihnen am meisten Vergnügen bereitet, stellen Sie sich folgende Frage: Wenn eine Fee den Zauberstab schwingt, und der Körper würde sich nicht ändern – welche Bewegung würden Sie machen?
Essstörungen entwickeln sich schleichend:
Beeinflusst Sie das Essen in Ihrem Leben? Finden Sie sich zu dick, während andere Sie zu dünn finden? Machen Sie sich Sorgen, wenn Sie manchmal nicht mit dem Essen aufhören können? Haben Sie in letzter Zeit viel Gewicht verloren oder zugenommen? Wenn Sie zwei oder mehrere dieser Fragen14 mit „Ja“ beantworten, kann Ihnen ein Beratungsgespräch helfen, Klarheit zu gewinnen.
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Leseempfehlung:
Zu diesem Thema empfehlen wir das Buch “Riot, don’t diet” von Elisabeth Lechner, erschienen 2021 beim Verlag Kremayr & Scheriau GmbH & Co. KG
AUTORIN
- Kalm, L. M., & Semba, R. D. (2005). They Starved So That Others Be Better Fed: Remembering Ancel Keys and the Minnesota Experiment. The Journal of Nutrition, 135(6), 1347–1352. https://doi.org/10.1093/jn/135.6.1347
- Lechner, E. (2021). Riot, don’t diet! Aufstand der widerspenstigen Körper. Kremayr & Scheriau.
- Ge, L., Sadeghirad, B., Ball, G. D. C., da Costa, B. R., Hitchcock, C. L., Svendrovski, A., Kiflen, R., Quadri, K., Kwon, H. Y., Karamouzian, M., Adams-Webber, T., Ahmed, W., Damanhoury, S., Zeraatkar, D., Nikolakopoulou, A., Tsuyuki, R. T., Tian, J., Yang, K., Guyatt, G. H., & Johnston, B. C. (2020). Comparison of dietary macronutrient patterns of 14 popular named dietary programmes for weight and cardiovascular risk factor reduction in adults: Systematic review and network meta-analysis of randomised trials. BMJ, m696. https://doi.org/10.1136/bmj.m696
- Freedhoff, Y., & Hall, K. D. (2016). Weight loss diet studies: We need help not hype. The Lancet, 388(10047), 849–851. https://doi.org/10.1016/S0140-6736(16)31338–1
- Strohackerâ, K., Carpenterâ, K. C., & McFarlinâ, B. K. (o. J.). Consequences of Weight Cycling: An Increase in Disease Risk? 11.
- Montani, J.-P., Schutz, Y., & Dulloo, A. G. (2015). Dieting and weight cycling as risk factors for cardiometabolic diseases: Who is really at risk?: Weight cycling and cardiometabolic risks. Obesity Reviews, 16, 7–18. https://doi.org/10.1111/obr.12251
- Pearl, R. L., & Puhl, R. M. (2018). Weight bias internalization and health: A systematic review: Weight bias internalization and health. Obesity Reviews, 19(8), 1141–1163. https://doi.org/10.1111/obr.12701
- Puhl, R. M., Himmelstein, M. S., & Quinn, D. M. (2018). Internalizing Weight Stigma: Prevalence and Sociodemographic Considerations in US Adults: Internalizing Weight Stigma. Obesity, 26(1), 167–175. https://doi.org/10.1002/oby.22029
- Barry, V. W., Baruth, M., Beets, M. W., Durstine, J. L., Liu, J., & Blair, S. N. (2014). Fitness vs. Fatness on All-Cause Mortality: A Meta-Analysis. Progress in Cardiovascular Diseases, 56(4), 382–390. https://doi.org/10.1016/j.pcad.2013.09.002
- Blair, S. N., Iii, H. W. K., Barlow, E., Macera, C. A., & Gibbons, W. (o. J.). Influences of Cardiorespiratory Fitness and Other Precursors on Cardiovascular Disease and All-Cause Mortality in Men and Women.
- https://novogenia.com/einfluss-der-gene-auf-das-koerpergewicht/
- https://science.sciencemag.org/content/373/6550/eabf8683/tab-pdf
- Ulijaszek, S. (2015). With the benefit of Foresight: Obesity, complexity and joined-up government. BioSocieties, 10(2), 213–228. https://doi.org/10.1057/biosoc.2015.16
- http://www.sowhat.at/essstoerungen/