Der 7. Mai ist Tag der genitalen Selbstbestimmung. Was versteht man darunter? Wer ist davon betroffen und wie ist die aktuelle Lage in Österreich?
Was versteht man unter genitaler Selbstbestimmung?
Selbstbestimmung allgemein bedeutet, dass jeder Mensch selbst darüber bestimmen darf, was mit dem eigenen Körper passiert. Die genitale Selbstbestimmung lenkt hier den Blick noch einmal explizit auf den Bereich der Geschlechtsorgane.
Denn, obwohl man meinen sollte, dass jeder Mensch selbst darüber entscheiden kann, was mit den Geschlechtsorganen passiert, gibt es besonders eine Gruppe, der ihre Entscheidungsgewalt abgenommen wird: nämlich Kindern ab dem Säuglingsalter.
Für viele Bereiche ergibt es Sinn, wenn Eltern oder der Staat die Entscheidungen für Kinder bis zu deren Mündigkeit übernehmen, wie zum Beispiel im Bereich der Bildung, oder bei notwendiger medizinischer Versorgung.
Auch bei der Zugehörigkeit und Ausübung einer Religion ist es das gute Recht der Eltern, hier für ihre Kinder mitzuentscheiden. Aber was, wenn die Religion in Bereiche übergreift, die die körperliche Unversehrtheit beeinflussen? Noch heikler wird es, wenn Eltern von medizinischem Fachpersonal dazu geraten wird, ihre neugeborenen Babys einer nicht notwendigen geschlechtsangleichenden Operation zu unterziehen.
Bei Kindern bzw. Säuglingen an denen solche Operationen zur Anpassung des Geschlecht in eine männliche oder weibliche Richtung durchgeführt werden, handelt es um inter*geschlechtliche Kinder. Also Kinder, deren äußere und innere Geschlechtsorgane nicht eindeutig einem Geschlecht zugeordnet werden können. Leider wird Eltern von Babys mit Variationen der Geschlechtsmerkmale noch immer dazu geraten, sich für ein Geschlecht zu entscheiden. Im Anschluss wird dann mithilfe verschiedenster chirurgischer Eingriffe und/oder der Gabe von Hormonen versucht den Körper auf das „gewählte Geschlecht“ hinzuverändern.[1]
Beschneidung: nur ein kleiner Schnitt?
Während es sich bei dem Thema geschlechtsanpassender Operationen bei inter*geschlechtlichen Personen eher um ein Randthema handelt, gehört die Beschneidung von Buben zu den Routineeingriffen. Aber, ob aus religiösen oder medizinischen Gründen, es handelt sich bei diesem Eingriff sicher nicht um eine Kleinigkeit.
Bei der Beschneidung der Vorhaut werden verschiedene Typen unterschieden, je nachdem ob die Vorhaut nur eingeschnitten wird oder teilweise bzw. ganz entfernt. Egal welche Variante einer Beschneidung gewählt wird, der Eingriff ist immer mit einem Risiko verbunden und die Komplikationen können von Blutungen, über Narbenbildungen, Harnrückstau und im schlimmsten Fall, wenn Komplikationen auftreten, auch bis hin zum Tod reichen.[2]
Und das sind nur die medizinischen Risiken, die sich durch den chirurgischen Eingriff ergeben. Nicht vergessen werden darf, dass es sich bei der Vorhaut um einen elementaren Bestandteil des männlichen Genitals handelt der eine wichtige Rolle bei der sexuellen Empfindsamkeit spielt.[3]
Ein bisschen Geschichte…
Unabhängig von religiösen Motiven entwickelte sich im 19. Jahrhundert in Amerika ein Trend zur Beschneidung von Säuglingen mit Penis. Damals galt die Beschneidung als bestes Mittel gegen die Masturbation, wurde aber auch als Behandlungsmethode für Anfallsleiden, Epilepsie und Lähmungserscheinungen angewendet.
Ein berühmter Vertreter dieser Praxis war John Harvey Kellog, den meisten hierzulande bekannt als Erfinder der Cornflakes, er sah sich als Vorkämpfer für Gesundheit und sexuelle Enthaltsamkeit und propagierte grausamste Methoden um sexuelle Erregung zu mindern[4].
Auch wenn es sich inzwischen durchgesetzt hat, dass Selbstbefriedigung nicht nur keine schädlichen Auswirkungen auf den Körper hat, sondern im Gegenteil als gesundheitsförderlich betrachtet werden muss, haben sich neue Gründe formiert, die eine Beschneidung rechtfertigen sollen. Allen voran lassen sich hier angebliche hygienische Vorteile und geringere Übertragungsraten von Krankheiten nennen[5]. Beide Dinge lassen sich mit einfachsten Mitteln wie regelmäßiges Waschen und das Verwenden von Kondomen sehr gut vermeiden.
Gesetzliche Lage in Österreich
Während sich der Großteil der Welt darüber einig ist, dass es sich bei FGM/C (Female Genitale Mutiliation or Cutting) um eine maßgebliche Beschädigung des weiblichen Körpers handelt und diese auch klar gesetzlich verboten ist, gehen die Meinungen bezüglich der Beschneidung von Buben weit auseinander.
Die Beschneidung bzw. „Verstümmelung“ des weiblichen Genitals wird in Österreich mit einer Freiheitsstrafe von bis zu 10 Jahren geahndet. Strafbar machen sich alle Personen, die FGM direkt an einer Frau oder einem Mädchen durchführen, aber auch die Eltern, die ein solches Vorgehen veranlassen, oder dieses nicht verhindern, wenn ihnen dies möglich gewesen wäre[6].
Im Gegensatz zu anderen „Körperverletzungen“ wie ästhetische Operationen, Tätowierungen oder Piercings, kann in FGM nicht strafbefreiend eingewilligt werden.
- 85 StGB regelt die „Verstümmelung oder sonstige Verletzung der Genitalien, die geeignet ist, eine nachhaltige Beeinträchtigung des sexuellen Empfindens herbeizuführen“. Obwohl das Gesetz selbst geschlechtsneutral formuliert wurde, sprechen die Erläuterungen zu diesem Gesetz allerdings explizit vom Fall der weiblichen Genitalbeschneidung.
Im Fall von geschlechtsanpassenden Operationen bei intergeschlechtlichen Babys gibt es leider noch immer keine rechtliche Regelung und das, obwohl bereits 2021 ein Initiativantrag zu diesem Thema einstimmig vom Nationalrat beschlossen wurde. [7]
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass jegliche, nicht krankheitsbedingte, Veränderung an den Geschlechtsorganen zu teilweise schweren Belastungen im weiteren Lebensverlauf führen kann und damit einen deutlichen Einschnitt in der Lebensqualität von Betroffen bedeutet.
Letztlich liegt es aber nach wie vor in der Entscheidungsgewalt der Eltern ob sie ihren Kindern diese zum Teil lebensverändernden Eingriffe zumuten möchten.
AUTORIN
Quellen
2. Manz, F. (2013). Zur Kulturgeschichte der Beschneidung im Säuglingsalter. Pädiatrie, 1(13), 38–42. https://www.rosenfluh.ch/media/paediatrie/2013/01/Zur_Kulturgeschichte_der_Beschneidung_im_Saeuglingsalter.pdf
3. 4. Nolte, S. H. (2019). Beschneidung bei Jungen: Unverzichtbare Vorhaut. Deutsche Hebammen Zeitschrift, 1(19), 34–40. https://www.dhz-online.de/no_cache/archiv/archiv-inhalt-heft/archiv-detail-leseprobe/artikel/unverzichtbare-vorhaut/
5. Manz, F. (2013). Zur Kulturgeschichte der Beschneidung im Säuglingsalter. Pädiatrie, 1(13), 38–42. https://www.rosenfluh.ch/media/paediatrie/2013/01/Zur_Kulturgeschichte_der_Beschneidung_im_Saeuglingsalter.pdf
6. FGMC Koordinationsstelle. Zur rechtlichen Lage von FGM/C in Österreich. https://fgm-koordinationsstelle.at/wp-content/uploads/rechtliche-Aspekte-FGMC-in-Oesterreich_2024.pdf
7. Kräftner, F. (2023, 11. Dezember). Gesetz gegen geschlechtsverändernde Operationen bei Kindern fehlt noch immer [Pressemeldung]. https://www.ots.at/presseaussendung/OTS_20231211_OTS0003/gesetz-gegen-geschlechtsveraendernde-operationen-bei-kindern-fehlt-noch-immer