Sie kennen es vielleicht: Sie suchen ein Geschenk für ein Kind, sei es Kleidung oder Spielzeug. Ob Sie ein Geschäft persönlich betreten oder online nach etwas Passendem suchen, zuerst müssen Sie wählen, ob das Geschenk für ein Mädchen oder einen Buben ist. Danach eröffnet sich Ihnen entweder die wunderbare Welt in Pink mit vielen Rüschen oder die in bodenständigem Blau mit viel Werkzeug und Dinosauriern. Hin und wieder stößt man auch bereits auf „unisex“, also eine Kategorie, die nicht nur einem Geschlecht zugeschrieben werden kann.
Unisex und Gendersternchen (*)
Mittlerweile ist bekannt, dass es neben dem biologischen Geschlecht (Geschlechtsorgane, Hormone etc.) auch das soziale Geschlecht gibt, also das bei der Geburt oder grundsätzlich von anderen Menschen zugewiesene Geschlecht und die jeweils damit verbundenen Rollen und Erwartungen. Dies wird auch als „gender“ bezeichnet. Die beiden Formen „Frau“ und „Mann“ werden der Realität jedoch einfach nicht gerecht. Vielmehr existiert eine bunte Palette an geschlechtlichen Identitäten: trans, intergeschlechtlich, nicht-binär, divers, agender, ally, cis-gender und mehr. Wie man sich selbst definiert, kann jede Person nur für sich selbst beantworten. In Texten wird dieser Vielfalt – anstatt von nur Frau/Mann – mit dem so genannten Gendersternchen (*) Rechnung getragen. Damit sollen nicht nur „weibliche“ oder „männliche“ Personen angesprochen werden, sondern auch all jene, welche sich diesen beiden Geschlechtern nicht klassisch zuordnen. Das verändert auch die Aussprache, und Sprache wiederum schafft Realität (AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin, 2015).
Geschlechtsidentität als Teil der allgemeinen Entwicklung
Nimmt man sich selbst anders wahr, als die Gesellschaft einen sieht, entsteht eine innere Diskrepanz: Stimmt etwas nicht mit mir? Wo fühle ich mich zugehörig? – Das sind wichtige Fragen in der Entwicklung der eigenen Identität. Angehörige der LSBTIQ-Community werden oft aufgrund ihrer Geschlechtsidentität und/oder sexuellen Orientierung diskriminiert und verbal attackiert (Krell, 2013). Ungleiche Geschlechterverhältnisse, soziale Ausgrenzung aufgrund von Homo- und Transphobie sowie die Unsichtbarkeit sexueller Minderheiten bedingen ungleiche Entwicklungschancen für die Gesundheit.
Der Kampf um Anerkennung vielfältiger Geschlechtsidentitäten wird schon seit vielen Jahren geführt und ist generell nicht neu. Aber erst langsam rückt die Wichtigkeit der Thematik immer mehr in den Vordergrund. Manche nehmen an, dass vielfältige Geschlechtsidentitäten im eigenen (pädagogischen) Umfeld nicht zum Thema gemacht zu werden brauchen; doch erst wenn der Raum für vielfältige Lebensweisen jenseits der Norm geöffnet wird und jegliche Geschlechtsidentitäten gleichberechtigt behandelt werden, fühlen sich alle (!) Kinder und Jugendliche in ihrer Lebensrealität aufgefangen und verstanden. – Ein wichtiger Schritt zur gesunden Entwicklung der eigenen Identität. Denn Identitätsbildung beginnt im Kopf und nicht zwischen den Beinen.
Eine gesunde Entfaltung der Persönlichkeit wirkt auch (sucht-)präventiv
Benachteiligungen durch stereotype gesellschaftliche Vorstellungen können zu Unwohlsein, Ausgrenzung und zu Konflikten führen. Wie wir in der Suchtprävention wissen, sind das alles Faktoren, die zu einer Abhängigkeit führen können. Geschlecht und Geschlechtsidentität sind somit nicht nur Teil der Sexualpädagogik, sondern betreffen die komplette Lebensrealität unserer Gesellschaft. Umso wichtiger ist es, dass dieses Thema auch in unseren Lebenskompetenzprogrammen offen angesprochen wird, da es schon längst unsere Wirklichkeit (geworden) ist.
Im Präventionsprogramm plus haben wir aus diesem Grund eine große Veränderung vorgenommen und das ursprüngliche Thema „Burschen und Mädchen“ in Kapitel 7 komplett umgeschrieben. Das Kapitel heißt nun „Geschlecht und Geschlechtsidentitäten“ und soll den vielfältigen Lebensweisen gerecht werden. Damit wollen wir Jugendlichen von heute die Chance zu einer gesunden Entwicklung geben, indem offen darüber gesprochen wird, wie es ist, wenn nicht alles nur weiblich oder männlich ist. Ihnen als Lehrperson helfen wir dabei, sensibel auf die Thematik einzugehen und unterstützen Sie mit allen Informationen dazu!
Sie haben Interesse, plus auch an Ihrer Schule umzusetzen und damit einen wertvollen Beitrag zur gesunden Entwicklung von Schüler*innen zu leisten?
Holen Sie sich alle Informationen dazu unter www.fachstelle.at/plus
Oder hätten Sie gerne mehr zum Thema Geschlechtsidentität und „queer“ gewusst, dann empfehlen wir Ihnen unsere Queer-Themenreihe.
AUTORIN
AG Feministisch Sprachhandeln der Humboldt-Universität zu Berlin (Hrsg.). (2015). Was tun? Sprachhandeln – aber wie? W_Ortungen statt Tatenlosigkeit! (FS; 2. Aufl.).
Krell, C. (2013). Lebenssituationen und Diskriminierungserfahrungen von homosexuellen Jugendlichen in Deutschland, Berlin. https://www.lsvd.de/fileadmin/pics/Dokumente/Studien/Abschlussbericht_Pilotstudie_Lebenssituationen_und_Diskriminierungserfahrungen_von_homosexuellen_Jugendlichen_in_Deutschland.pdf