„Dry January“ ist eine Initiative, bei der Personen im Jänner keinen Alkohol trinken. Diese Idee zielt darauf ab, die Gesundheit und das Wohlbefinden zu fördern. Vor allem wenn man im Dezember nach zahlreichen Firmen- und Familienfeiern mehr Alkohol als üblich getrunken hat, bietet es sich an, beim „Dry January“ mitzumachen und einen Monat lang auf Alkohol zu verzichten. In unserer Gesellschaft, vor allem in Niederösterreich hat der Alkohol eine lange Tradition. Alkohol ist stark in unserer Kultur verankert und sehr präsent, wie auch schon die Namen „Mostviertel“ und „Weinviertel“ verdeutlichen. Viele von uns kamen schon sehr jung mit Alkohol in Berührung. Bei Familientreffen, in vielen Vereinen und Berufsgruppen gehören Bier, Wein und Sekt einfach dazu. Es ist ein schmaler Grat zwischen Genuss und problematischem Konsum. Übermäßiger Alkoholkonsum wird in unserer Gesellschaft leicht übersehen. In unserer Welt, die von Stress und Unsicherheiten geprägt ist, kann es passieren, dass man regelmäßig immer mehr Alkohol trinkt, um Probleme zu vergessen. Alkohol hilft kurzfristig dabei, unangenehme Gefühle zu verdrängen, führt jedoch langfristig zu noch mehr Problemen und einer Erkrankung, die nicht allein bewältigt werden muss. 5% der über 15jährigen Österreicher*innen leiden unter einer „Alkoholgebrauchsstörung“ und weitere 10% haben ein „problematisches Trinkverhalten“1. Diese Menschen benötigen aufgrund körperlicher und seelischer Entzugssymptome professionelle Hilfe, um einen Monat lang keinen Alkohol zu trinken. Die Entscheidung, Psychotherapie in Anspruch zu nehmen, fällt vielen Leuten nicht leicht. Über anonyme online Selbsthilfeprogramme kann erste Hilfe geleistet werden2. Zusätzlich kann eine professionell ausgebildete Person, der man sich anvertrauen kann, Halt geben. Hier sind einige Gründe, warum Sie von einer Psychotherapie oder von einer klinisch-psychologischen Behandlung profitieren könnten und wie Ihre Lebenskompetenzen dadurch gestärkt werden können:
- Wenn einem jemand zuhört, eröffnen sich im lösungsorientierten Gespräch neue Blickwinkel. Im geschützten Rahmen können Kommunikationsfähigkeiten verbessert werden. Psychotherapeutisch geschulte Personen können oft besser unterstützen als Angehörige, da sie als Außenstehende nicht emotional in die Probleme involviert sind.
- Emotionale Belastungen und tieferliegende Ursachen für Alkoholkonsum können mit einer einfühlsamen Person im Rahmen einer Psychotherapie besprochen und aufgearbeitet werden. Dadurch werden auch die Selbstwahrnehmung und die Empathie gefördert
- Therapeut*innen unterstützen bei der Entwicklung von gesunden Bewältigungsstrategien, die anstelle von Alkohol genutzt werden können. Die Stress- und Gefühlsregulation wird gestärkt und die emotionale Stabilität wird verbessert.
- Die Therapie kann auch dazu beitragen, die Dynamik im familiären und sozialen Umfeld zu verstehen und zu verbessern. Der therapeutische Prozess ermöglicht es, Beziehungen zu vertiefen. Die Beziehungsfähigkeit ist ein wichtiger Schutzfaktor für den Erhalt der psychischen Gesundheit. Auch Angehörige von Betroffenen können sich Hilfe holen, um Familienmitglieder oder Freund*innen besser unterstützen zu können.
- Der Weg zur Heilung kann sehr mühsam sein, Rückfälle sind häufig. Daher benötigt man viel Geduld. Psychotherapie hilft nicht nur in Krisensituationen, sondern trägt auch durch das Trainieren der Selbstfürsorge langfristig zur Rückfallprävention bei. Durch Entscheidungs- und Problemlösefähigkeiten können Risikosituationen bewältigt werden und die persönliche Entwicklung wird gestärkt.
- Mit professioneller Hilfe kann ein Teufelskreis unterbrochen und das Selbstbewusstsein neu aufgebaut werden. Es kann auch hilfreich sein, sich mit kreativen Methoden Visionen und Tagträume vor Augen zu halten, was einem Spaß macht, um den Blick auf die eigenen Bedürfnisse und Werte zu richten:
- Was ist mir im Leben wichtig?
- Was tut mir gut?
- Wie möchte ich Beziehungen leben?
- Wie möchte ich meine Freizeit gestalten?
- Welche Arbeit erfüllt mich?
So können Sie sich in kleinen Schritten Ihren Zielen nähern. Auch wenn man nicht alles erreichen kann, ist es doch wichtig, die kleinen Erfolge zu feiern und zu genießen. Metaphern können einem dabei helfen „aus Steinen, die einem in den Weg gelegt werden, etwas zu bauen“. Immer mehr Menschen wagen sich aus der Anonymität, stehen zu ihrer Erkrankung und berichten öffentlich über den Weg ihrer Genesung (wie zum Beispiel in diesen Podcasts (Breinhölder et al., 2023)3. In der Therapie werden Betroffene und Angehörige als „Expert*innen ihrer selbst“ gesehen. Denn die betroffenen Menschen verfügen über viele Fähigkeiten und Ressourcen und spüren selbst am besten, was ihnen guttut und welche Herangehensweise für sie selbst am geeignetsten ist, um ihre Krankheit zu überwinden. Es ist nicht so einfach, eine Person zu finden, der man seine Schwierigkeiten anvertrauen möchte. Die Clearingstelle für Psychotherapie vermittelt kostenlose Psychotherapie in Niederösterreich und unterstützt Sie dabei eine für Sie passende Person zu finden. Auch die Suchtberatungsstellen stehen Ihnen kostenlos zur Verfügung. Derzeit werden zusätzlich über „gesund aus der Krise“ kostenlose Einzel- und Gruppenbehandlungen für junge Menschen bis zum 22. Lebensjahr angeboten. Manche Betroffenen bevorzugen es, sich online beraten zu lassen, statt in eine psychotherapeutische Praxis zu fahren4. Die Onlineberatung ermöglicht eine flexible Zeiteinteilung, Zeitersparnis (durch keine Anfahrtswege), Anonymität, und spricht technologieaffine Menschen an, die lieber in ihrer gewohnten Umgebung bleiben. Hier findet man auch verschiedene Einrichtungen im Sozialbereich nach Themen sortiert. In akuten Krisen, wenn schnell Hilfe erforderlich ist, wenden Sie sich bitte an folgende Krisentelefone.
AUTORIN
1 Bachmayer, S., Strizek, J., & Uhl, A. (2022). Handbuch Alkohol – Österreich Band 1: Statistiken und Berechnungsgrundlagen Datenjahr 2021. Gesundheit Österreich.
2 Baumgartner, C., Schaub, M. P., Wenger, A., Malischnig, D., Augsburger, M., Lehr, D., Blankers, M., Ebert, D. D., & Haug, S. (2021). “Take Care of You” – Efficacy of integrated, minimal-guidance, internet-based self-help for reducing co-occurring alcohol misuse and depression symptoms in adults: Results of a three-arm randomized controlled trial. Drug and Alcohol Dependence, 225, 108806. https://doi.org/10.1016/j.drugalcdep.2021.108806
3 Breinhölder, Wolf, P., & Karl, S. (Hosts). (2023). Glücklich praktizierender Antialkoholiker, was ist das? (Folge 53) [Audio podcast episode]. In Wege zur psychischen Gesundheit. Die Psychosozialen Zentren gGmbH. https://www.psz.co.at/podcast/
4 Stüben, N., Franke, A. G., & Soyka, M. (2023). Nutzung und Akzeptanz webbasierter Angebote zur Alkoholabstinenz. Der Nervenarzt, 94(1), 1–7. https://doi.org/10.1007/s00115-022–01385‑0