Der Genuss von Alkohol ist in Österreich gesellschaftlich weit akzeptiert und gilt als fester Bestandteil unserer Kultur: Es gibt kaum einen Anlass in unserem sozialen Leben, sei es im Freundeskreis, in der Familie oder unter Kolleg*innen, bei dem man nicht gerne mit einem Gläschen Sekt anstößt oder sich bei einem guten Essen zuprostet. Grundsätzlich stellt das kein Problem dar, solange jede Person die Kontrolle über ihren eigenen Alkoholkonsum behält und schädliche Konsummuster vermeidet1. Es gibt jedoch Situationen bzw. Lebenslagen, in denen absolut kein Alkohol getrunken werden sollte, so z.B. während einer Schwangerschaft, bei der Arbeit oder im Straßenverkehr. Dieser vollständige Verzicht auf Alkoholkonsum nennt sich Punktnüchternheit2 und wird im Straßenverkehr schon lange unter dem Motto „Don’t drink and drive“ beworben.
Weshalb ist Punktnüchternheit im Straßenverkehr so wichtig?
Die gesetzliche Grenze, bis zu der Führerscheinbesitzer*innen (ausgenommen Fahranfänger*innen) in Österreich legal am Straßenverkehr teilnehmen dürfen, liegt bei einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 0,5‰. In zahlreichen wissenschaftlichen Studien wurde jedoch nachgewiesen, dass es bereits ab einer deutlich geringeren BAK zu Einschränkungen für das Autofahren wichtiger Fähigkeiten kommen kann3: So kann beispielsweise die Fähigkeit zur Aufmerksamkeitsteilung, die es uns ermöglicht, mehrere Aufgaben zeitgleich zu bearbeiten, schon ab einer BAK von 0,1‰ und darunter beeinträchtigt sein. Aufmerksamkeitsteilung wird beim Autofahren z.B. benötigt, um die Spur halten zu können, während man gleichzeitig auf andere Verkehrsteilnehmende achtet. Geringer Alkoholkonsum kann zudem zu einer verringerten Wachsamkeit bei gleichzeitig größerer Schläfrigkeit führen, was mit einem erhöhten Unfallrisiko in Verbindung gebracht wird. Auch visuelle Funktionen wie z.B. die Tiefenwahrnehmung oder die Kontrastempfindlichkeit lassen bereits bei geringer BAK nach. In weiterer Folge beeinflusst Alkohol auch die Reaktionsfähigkeit, die Sehschärfe und diverse motorische Funktionen negativ. Kurzum: Es gibt keine kognitiven oder motorischen Fähigkeiten, die nicht durch Alkohol beeinträchtigt werden und diese Beeinträchtigungen beginnen häufig schon ab einer BAK, die deutlich unter der festgelegten gesetzlichen Grenze von 0,5‰ liegt.
Die Folgen von Fahren unter Alkoholeinfluss können weitreichend sein: 2018 gab es 2.291 Unfälle mit Personenschaden, die mit Alkoholkonsum in Verbindung gebracht wurden (6,2% der Gesamtzahl) und 33 Alkoholtote (8,1% der Gesamt-Todesopfer)4. Die rechtlichen Konsequenzen von Fahren unter Alkoholeinfluss reichen von Nachschulungen und Geldstrafen über Vormerkungen im Führerscheinregister bis hin zu 6‑monatigem Führerscheinentzug samt verkehrspsychologischer und amtsärztlicher Untersuchung. Übrigens können auch Personen, die beim Radfahren oder zu Fuß gegen die Alkoholbestimmung verstoßen, wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit von rechtlichen Konsequenzen betroffen sein oder sogar vom Erwerb eines Führerscheins ausgeschlossen werden, falls sie zum Zeitpunkt der Übertretung noch keinen besaßen5.
Das „Problem“ der gesellschaftlichen Akzeptanz
Wie schon erwähnt, ist der Genuss von Alkohol in Österreich weit akzeptiert. In manchen Situationen kann man sogar regelrecht in eine Außenseiterrolle gedrängt werden, wenn man keinen Alkohol trinkt. Das bewirkt, dass Alkoholkonsum als soziale Norm angesehen wird, von der man nicht abweichen möchte, um keine negativen sozialen oder emotionalen Konsequenzen erfahren zu müssen. Den stärksten Einfluss hat hierbei die wahrgenommene Norm im Freundeskreis: Je mehr man denkt, dass die eigenen Freunde Alkohol im Straßenverkehr tolerieren, desto eher ist man dazu verleitet, auf Punktnüchternheit zu verzichten6.
Um Ihnen dabei zu helfen, standfest zu bleiben und auf Alkohol im Straßenverkehr zu verzichten, gibt es hier ein paar Tipps7, wie Sie mit sozialem Druck umgehen können:
- Sprechen Sie mit Ihren Freunden: Die Akzeptanz von risikoreichem Fahrverhalten im Freundeskreis wird häufig überschätzt!
- Lehnen Sie Trinkaufforderungen mit einem entschiedenen und klaren „Nein“ ab und fragen Sie nach alkoholfreien Alternativen!
- Hinterfragen Sie das Verhalten von Personen, die Sie wiederholt zum Trinken auffordern! Warum ist es ihnen so wichtig, dass Sie mittrinken?
- Machen Sie Personen, die Sie wiederholt zum Trinken auffordern darauf aufmerksam, dass Ihnen ihr Verhalten unangenehm ist, und bitten Sie sie, damit aufzuhören!
- Verlassen Sie, wenn nötig, die Situation! Z.B., indem Sie sich an einen anderen Tisch setzen oder ein Gespräch mit einer anderen Person beginnen.
- Punktnüchternheit im Straßenverkehr ist etwas Großartiges – seien Sie stolz darauf, nichts zu trinken, wenn Sie fahren!
Umgekehrt sind hier noch ein paar Tipps, wie Sie andere dabei unterstützen können, punktnüchtern zu bleiben:
- Fordern Sie niemanden zum Trinken auf! Wenn Sie Gastgeber*in sind oder eine Runde spendieren möchten, bieten Sie auch alkoholfreie Alternativen an.
- Akzeptieren und respektieren Sie es, wenn andere Personen nichts trinken möchten und teilen Sie ihnen das auch mit! Mit Ihrer Anerkennung können Sie andere in ihrer Punktnüchternheit bestärken.
- Unterstützen Sie Personen, die nichts trinken möchten, gegenüber wiederholten Trinkaufforderungen anderer Personen und geben Sie ihnen Rückhalt bei ihrer Entscheidung!
Über Alkohol reden – Sensibilisierung wirkt!
Obwohl es noch immer (zu) viele Verkehrsunfälle gibt, die mit Alkohol in Verbindung gebracht werden können (siehe oben), ist erfreulicherweise seit mehreren Jahrzehnten ein deutlicher Abwärtstrend zu verzeichnen4. Die Anzahl der Anzeigen wegen Alkohol am Steuer ist in den letzten Jahren gesunken und das trotz erheblich mehr Kontrollen, was darauf hindeutet, dass Verkehrsteilnehmende in Bezug auf das Thema Alkohol deutlich sensibilisiert sind und sich das Motto „Don’t drink and drive“ zu Herzen nehmen8.
Um diesen erfreulichen Trend zu fördern, möchten wir auch weiterhin über Alkohol sprechen und die Wichtigkeit eines verantwortungsvollen Umgangs mit dem eigenen Alkoholkonsum hervorheben! Bei der Österreichischen Dialogwoche Alkohol werden in verschiedenen Veranstaltungen und Aktionen im online-Format das Thema Alkohol und seine Auswirkungen offen diskutiert. Sehen Sie auf die Website für nähere Informationen zu den Veranstaltungen sowie für mehr Wissen rund um das Thema Alkohol!
AUTORIN
- Mechtcheriakov S, Brunner L, Uhl A. Alkohol “Zwischen Genuss und Gefahr.” Band 8. MedMedia Verlags Ges.m.b.H.; 2018.
- ARGE Suchtvorbeugung. 20 Handlungsempfehlungen zur Förderung eines verantwortungsvollen Umgangs mit Alkohol in Österreich. Published online 2016. Accessed April 22, 2021.
- Shinar D. Traffic Safety and Human Behavior: Second Edition. Emerald Group Publishing; 2017.
- Bachmayer S, Strizek J, Hojni M, Uhl A. Handbuch Alkohol – Österreich. Band 1 Statistiken und Berechnungsgrundlagen 2019. 7. Auflage. Gesundheit Österreich GmbH; 2020. Accessed November 24, 2020.
- Uhl A, Bachmayer S, Schmutterer I, Strizek J. Handbuch Alkohol – Österreich. Band 2 Gesetzliche Grundlagen 2020. Gesundheit Österreich GmbH; 2020. Accessed November 24, 2020.
- Baumann E, Geber S, Klimmt C, Czerwinski F, Wirtschaftsverlag N.W. Verlag für Neue Wissenschaft. Einfluss gleichaltriger Bezugspersonen (Peers) auf das Mobilitäts- und Fahrverhalten junger Fahrerinnen und Fahrer.; 2019.
- Körkel J, Schindler C. Soziale Situationen (I): Ablehnen von Trinkaufforderungen und Ansprechen der eigenen Abhängigkeit. In: Körkel J, Schindler C, eds. Rückfallprävention mit Alkoholabhängigen: Das strukturierte Trainingsprogramm S.T.A.R. Springer; 2003:173–194. doi:10.1007/978–3‑662–09788-5_7
- Uhl A, Strizek J, Hojni M. Handbuch Alkohol – Österreich. Band 3: Ausgewählte Themen. Gesundheit Österreich GmbH; 2020. Accessed November 24, 2020.