Eine Abhängigkeitserkrankung entwickelt sich meist über einen längeren Zeitraum und bleibt zu Beginn oft unbemerkt. Die Chance, frühe Veränderungen wahrzunehmen, und damit der betroffenen Person zu helfen, haben vor allem Menschen, die im nahen Kontakt stehen – beispielsweise Arbeitskolleg*innen.
Doch welche Veränderungen könnten das sein? Wie kann Abhängigkeit – bereits im frühen Stadium – erkannt, und wie können Kolleg*innen im besten Fall sogar unterstützt werden?
Allgemeine Anzeichen wie Unkonzentriertheit, erhöhte Fehlzeiten, Verspätungen oder Versäumnisse erlauben zwar keinen eindeutigen Rückschluss auf ein bestimmtes Suchtmittel oder Suchtverhalten (auch bei diversen anderen Erkrankungen können die genannten Symptome auftreten), zeigen jedoch meist eine Auffälligkeit an.
In einem Leitfaden zur gesundheitsgerechten Mitarbeiterführung „Gesundes Team – gesunde Bilanz“ von Anne Katrin Matyssek gibt die Autorin verschiedene Veränderungen an, die bei problematischem Konsum bzw. Abhängigkeit häufig zu beobachten sind: Solche Veränderungen können sich im Leistungs- und Sozialverhalten zeigen (z.B. Fehlerzunahme, Verlangsamung), im Denken (z.B. unlogisch wirkende Äußerungen, Abschweifen im Gespräch), im Fühlen (z.B. ungewohnte Schreckhaftigkeit, Aggressivität) und im körperlichen Bereich (z.B. Verwahrlosung, Zittern, erhöhte Müdigkeit).
Doch auch wenn wir nun erkennen, dass ein*e Kollegin an einer Abhängigkeit leidet: kann etwas unternommen werden? Darf ich es ansprechen?
Die Antwort ist Ja!
Neben der Sorge für die betroffene Person gibt es weitere gute Gründe, etwas zu unternehmen. Das könnte zum Beispiel die Belastung sein, die durch Mehrarbeit für Kolleg*innen entstanden ist. Auch wünschten sich Menschen mit Suchtproblematiken im Nachhinein oft, Kolleg*innen hätten nicht „über sie“, sondern „mit ihnen“ gesprochen – obwohl sie wahrscheinlich selten mit Dankbarkeit oder Einsicht reagieren können.
Wenn Sie eine Auffälligkeit bemerken, ist es am besten, das Gespräch zu suchen! Dabei können Sie …
- Ihre Sorge und das Interesse am Wohlergehen der betroffenen Person in den Mittelpunkt stellen
- über die eigenen Gefühle reden (fördert die Bereitschaft des Gegenübers, sich auf ein Gespräch einzulassen)
- betonen, dass Sie offen über Ihre Beobachtungen sprechen möchten und eine Diskussion vermeiden
Das Ziel bei frühen Gesprächen ohne eindeutiger Problematik ist nicht, anzuklagen oder zu verurteilen, sondern Unterstützung anzubieten, Hintergründe zu erfragen und die eigene Beobachtung zu benennen. Aber starten Sie bitte keinen „Überraschungsangriff“ zwischen Tür und Angel, sondern sorgen Sie dafür, dass es keine Störungen durch andere Kolleg*innen oder Telefonate gibt. Wenn das Gespräch stattfindet, plaudern Sie nicht lange über andere Dinge: Betroffene fühlen sich dadurch leicht getäuscht! Als Einstieg bietet sich die gemeinsame Zeit als Arbeitskolleg*innen an, um dann mit einer positiven Schlussfolgerung ihr Hauptanliegen anzubringen.
Doch natürlich birgt eine Aussprache auch Risiken. Zum Beispiel könnte die Person fälschlicherweise verdächtigt, bzw. die Situation falsch eingeschätzt werden. Auch kann es zu Spannungen kommen, wenn andere Kolleg*innen das Verhalten als „normal“ bewerten und zum Abwarten raten. Doch auch wenn es schwer fällt – das Aufdecken einer Abhängigkeitserkrankung kann eine Hilfe für Betroffene sein!
Da Sie nicht verantwortlich sind, die Suchtprobleme von ihrer*ihren Kolleg*in zu lösen, geht es vielmehr darum, sich über die eigenen Sorgen klar zu werden und diese auch auszusprechen.
Es gibt keine Pflicht zur Weitergabe von Beobachtungen an Personalverantwortliche, wenn keine unmittelbare Gefahr für Sicherheit und Gesundheit besteht. „Aktiv“ zu werden ist dennoch gut und richtig – für die betroffene Person, für das Team, und für Sie selbst.
Die Fachstelle NÖ bietet verschiedene Workshops und Seminare zum Thema Suchtprävention an. In unseren Angeboten können maßgeschneiderte Strategien für jeden Betrieb erstellt und auf individuelle Anliegen eingegangen werden. Mit unserer Broschüre “Alkohol und andere Substanzen am Arbeitsplatz – Ein Leitfaden für Führungskräfte” haben Sie eine gute Grundlage in der Hand.
Bei Fragen zu unseren Angeboten können Sie sich gerne an uns wenden!