Kann ein Gläschen Wein tatsächlich schaden?
Für die Zeit der Schwangerschaft lässt sich das eindeutig beantworten: JA.
In der Entwicklung des ungeborenen Fötus gibt es sogenannte Entwicklungsfenster für die einzelnen Organe und Körperteile (siehe dazu verschiedene Übersichten zu Embryonalentwicklung). Dementsprechend hat der Alkoholkonsum einer schwangeren Frau zu bestimmten Zeitpunkten unterschiedliche Auswirkungen auf das ungeborene Kind.
Unter FASD (Fetal Alcohol Spectrum Disorder) oder auch FAS (Fetal Alcohol Syndrome) versteht man ein Spektrum an unterschiedlichsten körperlichen und neurologischen Problemen, wie z.B. Wachstumsverzögerungen, Anomalien der Organe, Störungen der kognitiven und intellektuellen Leistungsfähigkeit1.
Auch der Konsum von geringen Mengen Alkohol während der Schwangerschaft kann einen erheblichen Einfluss auf die Gehirnentwicklung des Ungeborenen haben 2. Demnach haben betroffene Kinder später häufiger mit Verhaltensauffälligkeiten oder psychologischen Problemen zu kämpfen als unbelastete Gleichaltrige. Es wurden Zusammenhänge mit Angststörungen, Depression und Aufmerksamkeitsdefiziten gefunden.
Für Österreich gibt es keine aktuellen Zahlen, wie viele Neugeborene von FASD betroffen sind. Schätzungen gehen von ca. 1.400 Babys pro Jahr aus 3 – mit unterschiedlich starken Ausprägungen. Das entspricht circa 1,7 % aller Neugeborenen, da österreichweit, lt. Statistik Austria (2019), circa 84.000 Babys geboren werden.
Was können wir uns aus den wissenschaftlichen Erkenntnissen mitnehmen?
Verzichten Sie während der gesamten Schwangerschaft auf Alkohol – übrigens auch während der Zeit des Stillens. Sollte es passiert sein, dass Sie Alkohol in den ersten Tagen / Wochen Ihrer Schwangerschaft getrunken haben, so sprechen Sie am besten mit Ihrer Frauenärztin oder Ihrem Frauenarzt. Man geht davon aus, dass in den ersten zwei Wochen nach Befruchtung der Eizelle Alkoholkonsum keine schädigenden Auswirkungen auf den Embryo hat. Es wirkt das Alles-oder-Nichts-Prinzip (nähere Infos siehe z.B. https://www.kenn-dein-limit.de/alkoholverzicht/alkohol-in-der-schwangerschaft/das-alles-oder-nichts-prinzip/ ). Kurz zusammengefasst bedeutet das, dass eine im frühen Stadium schwer geschädigte Eizelle sich nicht weiter teilt und sich nicht in der Gebärmutter einnistet. Meist wird sie mit einer verspäteten Regelblutung vom Körper wieder abgestoßen. Das passiert durchwegs auch, wenn kein Alkohol getrunken wurde. Wenn die befruchtete Eizelle gesund ist, so nistet sie sich circa 10 – 14 Tage nach der Befruchtung in der Gebärmutter ein. Daher: Sobald Sie wissen, dass Sie schwanger sind, trinken Sie keinen Alkohol mehr!
Was kann beim Verzicht auf Alkohol in der Schwangerschaft helfen?
- Partner*in, Familie und Freund*innen können schwangere Frauen beim Verzicht auf Alkohol unterstützen. Wenn Sie gemeinsam in einer geselligen Runde sind, so verzichten Sie gemeinsam auf Alkohol und genießen Sie beispielsweise einen alkoholfreien Cocktail.
- Sagen Sie „Nein“!
In unserer Gesellschaft wird zu Anlässen gerne ein Gläschen Alkohol getrunken. Ein „Nein“ wird nicht gerne gehört. Bleiben Sie freundlich und bestimmt, so stoßen Sie den*die Gastgeber*in auch nicht vor den Kopf: „Danke, ich bin schwanger und trinke keinen Alkohol, aber ich nehme gerne ein Glas Orangensaft.“ Holen Sie sich gegebenenfalls Unterstützung von anderen. Feiern geht auch ohne Alkohol! - Vermeiden Sie Gelegenheiten, wo Sie sich eventuell doch zu einem Gläschen Alkohol hinreißen lassen könnten. Überlegen Sie im Vorfeld, ob es Situationen gibt, in denen es schwer fällt auf Alkohol zu verzichten. Gehen Sie diesen Situationen für die Zeit der Schwangerschaft und des Stillens aus dem Weg. Achten Sie auf Ihre Gesundheit und die Gesundheit Ihres Kindes!
- Wenn es Ihnen schwer fällt auf Alkohol zu verzichten, scheuen Sie sich nicht eine Suchtberatungsstelle aufzusuchen oder Ihre Frauenärztin beziehungsweise Ihren Frauenarzt darauf anzusprechen. Fachliche Unterstützung bestärkt Sie in Ihrem Vorhaben und gibt neue Motivation! Auch hier können Partner*in, Familie und Freund*innen hilfreich zur Seite stehen und bei einem Beratungstermin dabei sein.
AUTORIN
1Kelly, S. J., Day, N., & Streissguth, A. P. (2000). Effects of prenatal alcohol exposure on social behavior in humans and other species. Neurotoxicology and teratology, 22(2), 143–149. https://doi.org/10.1016/s0892-0362(99)00073–2
2Lees, B. et al. (2020). Association of prenatal alcohol exposure with psychological, behavioral, and neurodevelopmental outcomes in children from the adolescent brain cognitive development study, American Journal of Psychiatry, 17 (11), 1060–1072.
DOI: 10.1176/appi.ajp.2020.20010086
3Pfeifer, S. (2021): https://www.psychologin-pfeifer.online/de/online-beratung/fasd-fetale-alkohol-spektrumstoerung, Abfrage: 2021-05-11